Altfahrzeugverordnung

Rat und zuständige Ausschüsse des Europäischen Parlaments nehmen Positionen ein

Am 17. Juni verabschiedete der Rat der EU seine Allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Altfahrzeugverordnung, die an die Stelle der aktuell geltenden Altfahrzeugrichtlinie treten soll. Am 07. Juli haben die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments einen Berichtsentwurf angenommen. Bis zum Ende standen die Höhe der stoffstromspezifischen Mindestrezyklateinsatzquoten sowie die Liste der verpflichtend zu entfernenden Bauteile im Mittelpunkt der Debatten in Rat und Parlament.

 

Hintergrund
Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Verordnung über Altfahrzeuge verfolgt das Ziel, die Kreislaufführung von Altfahrzeugen zu verbessern. Mit der Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor soll insbesondere auch der Zugang zu kritischen Rohstoffen für die Europäische Wirtschaft verbessert werden, um zu den Umwelt- und Klimazielen der EU sowie zur Resilienz der EU-Wirtschaft beizutragen. Zu diesem Zweck sollen durch die Verordnung der Binnenmarkt für Altfahrzeuge, der Überblick über in der EU befindliche Altfahrzeuge und deren Monitoring sowie die Verwertung von Altfahrzeugen in der EU insgesamt verbessert werden. Gleichzeitig sollen Fahrzeughersteller mittels verschärfter Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung stärker in die Pflicht genommen werden.

Nachdem der Rat noch unter polnischer Ratspräsidentschaft am 17. Juni seine Position zum Kommissionsvorschlag in seiner Allgemeinen Ausrichtung angenommen hatte, haben am 07. Juli die beiden für das Dossier zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments, der Umweltausschuss ENVI und der Binnenmarktausschuss IMCO, ihren gemeinsamen Berichtsentwurf angenommen. Dieser muss nun noch vom Plenum des Parlaments angenommen werden.

Wesentliche Inhalte der Allgemeinen Ausrichtung des Rates und des ENVI/IMCO-Berichtsentwurfs
Mindestrezyklateinsatzquoten für Kunststoffe in Neufahrzeugen
Die Allgemeine Ausrichtung des Rates sieht im Vergleich zum Kommissionsvorschlag deutliche Änderungen in Bezug auf die Mindestrezyklateinsatzquoten für Kunststoffe in Neufahrzeugen vor. Diesbezüglich hat man sich im Rat auf ein Stufensystem geeinigt. Sechs Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung soll eine Mindestrezyklateinsatzquote von 15% gelten. Zwei Jahre später soll diese Quote auf 20% ansteigen. Schließlich soll 10 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung eine Mindestrezyklateinsatzquote von 25% gelten, Demgegenüber sieht der Kommissionsvorschlag eine Quote in Höhe von 25% bereits sechs Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung vor, ohne Staffelung. Nach dem Willen des Rates und dem Kommissionsvorschlag folgend sollen nur Rezyklate aus Post-Consumer-Abfällen bei der Erfüllung der Quoten angerechnet werden.

Die Abgeordneten der Auschüsse ENVI und IMCO wollen, dass innerhalb von 6 Jahren nach Inkrafttreten der Vorschriften mindestens 20% des in jedem neuen Fahrzeugtyp verwendeten Kunststoffs aus recyceltem Kunststoff aus Post-Consumer-Abfällen bestehen, Die Einhaltung dieser Anforderung muss gemäß ISO 22095:2020 über eine nachvollziehbare Chain of Custody dokumentiert werden. Um der Industrie die notwendige langfristige Perspektive zu geben und Investitionen zu ermöglichen, sollen die Hersteller innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten der Vorschriften einen Anteil von mindestens 25% erreichen, sofern ausreichend recycelter Kunststoff zu angemessenen Preisen verfügbar ist.

Die Abgeordneten der Ausschüsse ENVI und IMCO haben sich abweichend vom Kommissionsvorschlag und von der Position des Rates jedoch dafür ausgesprochen, dass auch ein begrenzter Einsatz von Pre-Consumer-Rezyklat zulässig sein soll, d.h. Kunststoffe, die aus dem Recycling von Produktionsabfällen gewonnen werden: maximal 50% der Quote soll mit Pre-Consumer-Rezyklat erfüllt werden können. Auch fordern die Ausschüsse im Widerspruch zur Ratsposition und dem Kommissionsvorschlag, im Hinblick auf die Quote des Kunststoffanteils, der aus dem Recycling von Kunststoffen aus Altfahrzeugen stammen muss (sogenanntes „closed loop“-Recycling), die Quote von 25% auf 15% zu reduzieren. Müssten nach den Vorstellungen der Kommission und des Rates 6,25% (bei einem Mindestrezyklatanteil von 25%) bzw. 5% (bei einem Mindestrezyklatanteil von 20%) des Rezyklatanteils aus Kunststoffen aus Altfahrzeugen stammen, wären es nach den Vorstellungen des ENVI und des IMCO-Ausschusses nur 3,75% (bei 25% Mindestrezyklateinsatzquote) bzw. 2,4% (bei 20% Mindestrezyklateinsatzquote).

Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung
Wie auch im Kommissionsvorschlag vorgesehen soll sich der Gemeinsamen Ausrichtung des Rates und des ENVI/IMCO-Berichtsentwurfs zufolge die erweiterte Herstellerverantwortung auf den gesamten Fahrzeuglebenszyklus erstrecken und somit auch die Sammlung und Behandlung von Altfahrzeugen umfassen. Es soll den Fahrzeugherstellern sowohl nach Vorstellung des Rates als auch der Parlamentsausschüsse weiterhin offenstehen, ob sie ihre, aus der erweiterten Herstellerverantwortung erwachsenden, Pflichten individuell oder im Rahmen einer Organisation der erweiterten Herstellerverantwortung wahrnehmen wollen. Im Hinblick auf die Ökomodulation (Art. 21) sollen die von den Herstellern im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung zu entrichtenden Beiträge – wie schon im Kommissionsvorschlag vorgesehen – davon abhängen, inwieweit:

  • die Fahrzeuge reparierbar, wiederverwendbar, demontierbar und recyclebar sind;
  • Materialien eingesetzt werden und Konstruktionsmerkmale vorliegen, die die Entfernung oder das Recycling von Teilen und Komponenten erschweren;
  • Verbundwerkstoffe oder andere problematische Materialien und Techniken wie Klebstoffe oder faserverstärkte Kunststoffe eingesetzt werden.


Verpflichtende Entfernung von Teilen und Bauteilen vor der weiteren Behandlung
In die Liste der vor der weiteren Behandlung verpflichtend zu entfernenden Teile und Bauteile des Anhangs VII, Teil C wurden in der Ratsposition Kraftstofftanks aus Kunststoff aufgenommen. Auch die Ausschüsse ENVI und IMCO haben sich für den verpflichtenden Ausbau von Kraftstofftanks ausgesprochen, ohne Bezug auf das Material des Tanks.

Die Allgemeine Ausrichtung des Rates enthält die verpflichtende Entfernung von sämtlichen Teilen und Bauteilen aus Glas zu einem Anteil von 70%, im ENVI/IMCO-Berichtsentwurf wird der Ausbau von Front-, Seiten- und Heckscheiben gefordert – ohne Prozentangabe, allerdings auch ohne Einbeziehung von Glasdächern, die in der Ratsposition ausdrücklich mit genannt werden.

Strategie für die Kreislauffähigkeit
Der Rat sowie die Auschüsse ENVI und IMCO haben in ihren Positionen die Verpflichtung der Hersteller zu einer Kreislaufstrategie beibehalten (Art. 9 und Anhang IV) (Kreislaufstrategie des Herstellers).  Die Hersteller sollen umfassende Kreislauffähigkeitsstrategien erstellen und hierbei insbesondere bereits in der Designphase von Fahrzeugen ansetzen. Das Ziel ist hierbei die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit der Komponenten zu gewährleisten. Ebenso ist im Rahmen der Kreislauffähigkeitsstrategie eine Kennzeichnung von Fahrzeugteilen verpflichtend. Ziel ist hierbei eine bessere Materialidentifikation und eine Vereinfachung des Recyclings. Allerdings soll sich die Kreislaufstrategie dem Rat und Kommissionsvorschlag zu Folge jeweils auf eine Fahrzeugkategorie beziehen, wohingegen die Parlamentsausschüsse eine Kreislaufstrategie auf Herstellerebene fordern, unbeschadet der Möglichkeit für die Hersteller, (zusätzlich) auch auf Ebene der Fahrzeugkategorien Kreislaufstrategien zu entwickeln.

Bewertung
Der BDE begrüßt, dass Rat und die federführenden Parlamentsausschüsse das Kernziel der Altfahrzeugverordnung, nämlich die Schaffung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft für Altfahrzeuge, unterstützen und in wesentlichen Punkten dem Kommissionsvorschlag folgen.

Kritisch zu bewerten ist aus Sicht des BDE jedoch die in beiden Positionen enthaltenen Aufweichungen und zeitlichen Streckungen bezüglich der Mindestrezyklateinsatzquoten für Kunststoffe in Neufahrzeugen in Art. 6 des Verordnungsvorschlags. Das vom Rat neu vorgesehene System mit einer schrittweisen Anhebung der Mindestrezyklateinsatzquoten ist ebenso abzulehnen wie die generelle Senkung der Mindestrezyklateinsatz- und der “closed loop”-Quoten im ENVI und IMCO Berichtsentwurf. Die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe in Neufahrzeugen in Höhe von 25%, welche 72 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung gelten soll, ist praxistauglich, fördert die Kreislaufführung von Altfahrzeugen und schafft die notwendige Nachfrage nach recycelten Kunststoffen, die es braucht, um Anreize für Investitionen in die Recyclinginfrastruktur zu schaffen. Diese Quote von 25% basiert auf intensiven umfassenden Prüfungen und Studien zur wirtschaftlichen und praktischen Machbarkeit im Rahmen der Erarbeitung des Kommissionsvorschlags, welche die Interessen aller beteiligten Akteure berücksichtigt haben.

Die in der Allgemeinen Ausrichtung des Rates vorgesehene stufenweise Anhebung der Quoten ist insbesondere auch vor dem Hintergrund fragwürdig, dass die Quoten innerhalb von nur zwei Jahren um weitere fünf Prozentpunkte steigen sollen. Da der Automobilindustrie auch nach dem Kommissionsvorschlag bereits ein Zeitraum von sechs Jahren ab Inkrafttreten der Verordnung gewährt werden soll, bis die verpflichtenden Mindestrezyklateinsatzquoten für Kunststoffe gelten, ist nicht ersichtlich, weshalb man sich innerhalb dieses Zeitraumes nicht auch auf eine verpflichtende Mindestrezyklateinsatzquote von 25% einstellen können soll, wenn dann nach 6 Jahren innerhalb von nur zwei Jahren nochmal ein Sprung um 5% für möglich gehalten wird. Die Verschiebung der zeitlichen Geltung der 25%-Quote auf zehn Jahre nach Inkrafttreten widerspricht dem ausdrücklichen Ziel, die Kreislaufführung von Altfahrzeugen zeitnah und auf effektive Art und Weise zu verbessern.

Äußerst kritisch sieht der Verband die Forderung der Parlamentsausschüsse, bei der Erfüllung der Mindestrezyklateinsatzquoten bis zu 50% Rezyklate, die aus Pre-Consumer-Abfällen (Produktionsabfällen) gewonnen wurden, anrechnen zu können. Die notwendigen Anreize für ein verstärktes Recycling können ausschließlich durch die obligatorische Verwendung von Post-Consumer-Rezyklaten geschaffen werden, da es andernfalls sehr einfach wäre, Mindestquoten für den rezyklierten Anteil durch die Verwendung von erheblich reinerem und einfacher aufzubereitendem post-industriellem Material zu erreichen. Aufwendige Sortier- und Reinigungsschritte entfallen bei Pre-Consumer-Abfällen in der Regel. Damit würden Anreize für einen Ausbau der Recyclinginfrastruktur und die dafür notwendigen Investitionen entfallen. Zumindest ist zu begrüßen, dass auch der Rat im Hinblick auf die von ihm vorgeschlagenen Mindestrezyklateinsatzquoten in Höhe von 15%, 20% und 25% für Kunststoffe in Neufahrzeugen die ausschließliche Einbeziehung von Rezyklaten aus Post-Consumer-Abfällen fordert.

Im Hinblick auf die Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung sind die Allgemeine Ausrichtung des Rates und der Berichtsentwurf der Ausschüsse für Umwelt und für Binnenmarkt hingegen deutlich positiver zu bewerten. Beide orientieren sich in ihren Positionierungen weitestgehend am Kommissionsvorschlag, der anstrebt, die Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung europaweit zu harmonisieren und das gesamte System der Herstellerverantwortung zu verschärfen und effektiver zu gestalten. Sehr erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass sich etwa die Regeln zur Ökomodulation der finanziellen Beiträge zur erweiterten Herstellerverantwortung (Art. 21) genau wie im Kommissionsvorschlag etwa nach dem „Design for Recycling“ und auch nach dem Verzicht auf den Einsatz von Materialen richten soll, welche das Recycling erschweren. Auch ist erfreulich, dass die Einführung einer langfristigen Strategie für die Kreislauffähigkeit für die Fahrzeughersteller verpflichtend bleiben soll.

Im Hinblick auf die Liste der gemäß Anhang VII, Teil C vor der weiteren Behandlung verpflichtend zu entfernenden Teile und Bauteile ist im Vergleich zum Kommissionsvorschlag positiv zu bewerten, dass sowohl vom Rat als auch von den Ausschüssen zumindest Kraftstofftanks in die Liste aufgenommen wurden. Allerdings ist nicht klar, ob damit auch Gastanks erfasst sind. Der BDE und die FEAD hatten sich dafür eingesetzt, diese ausdrücklich mit aufzunehmen. Werden diese nämlich vor dem Schreddern nicht vollständig aus dem Altfahrzeug entfernt, so kommt es regelmäßig zu Sach- und Personenschäden in Schredderanlagen. Allerdings ist Gas ein Kraftstoff, so dass auch Gastanks als Kraftstofftanks gelten und vom Ausbaugebot mit umfasst sein müssten. Sehr erfreulich ist auch, dass der Rat die verpflichtende Entfernung von sämtlichen Teilen und Bauteilen aus Glas zu einem Anteil von 70% fordert, was der Forderung von BDE und FEAD entspricht, um ein bestmögliches Altglasrecycling zu ermöglichen. Die Quote von 70% folgt aus dem spezifische Entnahmevorgang, der meist aus Sägen besteht, und welcher keine 100%-ige Entnahme ermöglicht.

 

Zeitplan
Nach der Allgemeinen Ausrichtung des Rates am 17. Juni 2025 und der Annahme des Berichtsentwurfs durch die gemeinsam zuständigen Ausschüsse für Umwelt und für Binnenmarkt steht noch die Annahme des Berichtsentwurfs durch das Plenum des Europäischen Parlaments aus, bevor anschließend die Trilogverhandlungen zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission beginnen können. Die Plenarabstimmung soll im September 2025 stattfinden, wobei ein konkretes Datum noch aussteht. Sodann werden die Trilogverhandlungen voraussichtlich im Herbst beginnen.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Juli 2025

Dr. Christian Suhl

Geschäftsführer / Syndikusanwalt, Leiter der Brüsseler Vertretung