Clean Industrial Deal

Europäische Kommission legt Rahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung der Ziele des Clean Industrial Deals fest

Um die ambitionierten Ziele des Green Deals zu erreichen und gleichzeitig Europas industrielle Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken, hat die Europäische Kommission den „Clean Industrial Deal, CID“ beschlossen. Als zentrales Begleitinstrument dazu wurde am 11. März 2025 der Entwurf eines neuen Beihilferahmens, das „Clean Industrial Deal State Aid Framework, CISAF“  veröffentlicht. Ziel dieses Beihilferahmens es, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, die industrielle Dekarbonisierung voranzutreiben und ausreichende Kapazitäten für die Herstellung sauberer Technologien in Europa zu gewährleisten. Der BDE hat die betreffende Konsultation, die bis zum 25. April 2025 lief, genutzt, um seine Position darzulegen.

 

Hintergrund und Wesentlicher Inhalt des Entwurfes des Beihilferahmens
Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung zum Clean Industrial Deal betont, dass die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Säule der Strategie zur Dekarbonisierung bilden muss. Die Kreislaufwirtschaft ist entscheidend, um etwa die Abhängigkeit der EU von Rohstoffimporten zu reduzieren. Auch der Wettbewerbskompass der EU unterstreicht die systemische Rolle der Kreislaufwirtschaft als wesentlicher Bestandteil für eine widerstandsfähige und wettbewerbsfähige Industrie.

Der Entwurf dieses neuen Beihilferahmens ist Teil des am 26. Februar 2025 vorgestellten Clean Industrial Deal, in dessen Rahmen die Europäische Kommission angekündigt hat, die Vorschriften für staatliche Beihilfen zu vereinfachen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, die industrielle Dekarbonisierung voranzutreiben und ausreichende Kapazitäten für die Herstellung sauberer Technologien zu gewährleisten. Der neue Beihilferahmen soll zur Erreichung dieser Ziele beitragen, indem er die sonstigen Beihilferegelwerke, insbesondere die Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (KUEBLL) ergänzen und durch weniger strenge Kriterien und höhere Flexibilität für die Mitgliedstaaten zu vereinfachten Beihilfegewährungen führen soll.

Die für die Kreislaufwirtschaft wichtigsten Kapitel des CISAF-Entwurfes betreffen die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien sowie die Sicherstellung ausreichender Produktionskapazitäten für saubere Technologien. Nach dem Entwurf sollen Investitionen in die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, einschließlich nicht-biogenen erneuerbaren Kraftstoffen (RFNBOs), sowie Investitionen in deren Speicherung grundsätzlich förderfähig sein. Ebenso werden Investitionen in Strom- und Wärmespeicherung zu den förderfähigen Investitionen gezählt. Der Entwurf sieht unter diesen spezifischen Maßnahmen allerdings keine ausdrückliche Förderfähigkeit für die Schaffung oder den Erhalt von Recyclingkapazitäten oder zur Förderung der Nachfrage nach Rezyklaten und Sekundärrohstoffen vor.

Im Bereich der sauberen Technologien umfasst die Liste der förderfähigen Produkte, die für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft benötigt werden, unter anderem Batterien, Solarpaneele, Windturbinen, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Ausrüstung für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture, Utilisation and Storage – CCUS). Explizit wird in diesem Kontext auch die Nutzung von Sekundärrohstoffen für die Produktion dieser relevanten Ausrüstung genannt. Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten zudem, sicherzustellen, dass Projekte und Aktivitäten, die im Rahmen des CISAF unterstützt werden, „im größtmöglichen Umfang“ zur Kreislaufwirtschaft beitragen.


Bewertung
Der BDE begrüßt die Initiative eines neuen Beihilferahmens zur Unterstützung des Clean Industrial Deals ausdrücklich. Ein an die Ziele des Clean Industrial Deals angepasster Beihilferahmen stellt ein sehr sinnvolles Instrument dar, um das Beihilferecht mit den übergeordneten Zielen der EU-Kommission in Einklang zu bringen. Allerdings bedauert der Verband, dass der vorliegende Entwurf den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft als eines der zentralen Ziele nur unzureichend berücksichtigt. Die übergeordnete und unbedingte Forderung des BDE ist daher ein deutlich stärkerer Fokus des Beihilferahmens auf die direkte und umfassende Förderung von Maßnahmen für die Kreislaufwirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Konkret fordert der BDE zunächst die Förderung von Investitionen in Recyclinganlagen als Produktionskapazität für recycelte Rohstoffe und (Vor-)Produkte (Rezyklate) sowie die Förderung der Verwendung von Rezyklaten als unabdingbare Voraussetzung, um die in zahlreichen EU-Rechtsakten (wie der Batterieverordnung, der Verpackungsverordnung und der vorgeschlagenen Altfahrzeugverordnung) festgelegten Recyclingquoten und Mindestrezyklateinsatzquoten überhaupt erreichen zu können. Angesichts der aktuell unzureichenden Nachfrage nach Rezyklaten fehlen Anreize für Investitionen in Recyclinganlagen und es werden sogar Recyclinganlagen geschlossen, so dass Kapazitäten verlorengehen. Daher müssen staatliche Mittel bereitgestellt werden, um gezielte Anreize für Hersteller zu schaffen, Rezyklate zu verwenden, die Nachfrage kontinuierlich zu steigern und die Wirtschaftlichkeit des Recyclings langfristig zu sichern. Auch staatliche Förderungen für den Ausbau und Betrieb der Recyclinginfrastruktur sind notwendig, solange die Nachfrage und die benötigten Kapazitäten noch unzureichend sind.

Des Weiteren fordert der BDE eine Überarbeitung der Leitlinien der Kommission für Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen (KUEBLL), um Recycling, insbesondere das Kunststoffrecycling, in den Kreis der energieintensiven Tätigkeiten aufzunehmen, die gemäß Ziffer 4.11 der KUEBLL von Abgaben auf den Strompreis befreit werden können. Aktuell profitieren davon Sektoren der Primärindustrie (z. B. Chemie- und Baustoffindustrie), während Recyclingunternehmen, deren Aktivitäten ebenfalls hochgradig energieintensiv sind und damit hohe Stromkosten verursachen, hiervon ausgeschlossen bleiben. Dies führt zu einem erheblichen Kosten- und Wettbewerbsnachteil für Recyclingrohstoffe gegenüber Primärmaterialien und widerspricht dem erklärten Ziel des Clean Industrial Deal, die Kreislaufwirtschaft substanziell zu stärken. Eine Anpassung ist daher unerlässlich, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Recyclingindustrie zu sichern.

Die Regeln für die Gewährung von staatlichen Beihilfen sind häufig von hoher Komplexität geprägt, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine erhebliche Hürde darstellt. Der BDE fordert eine konsequente Vereinfachung der Verfahren und der Beihilfekontrolle, um den Zugang zu staatlichen Fördermitteln spürbar zu erleichtern und KMU ausreichend zu berücksichtigen. Es ist zudem von entscheidender Bedeutung, dass staatliche Beihilfen nicht nur Investitionsausgaben (CapEx), sondern auch laufende Betriebskosten (OpEx) abdecken, um ihre optimale Wirkung zur Förderung von Investitionen und Innovationen zu entfalten.

Schließlich muss das Prinzip des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt auch im Verhältnis zu öffentlichen Unternehmen uneingeschränkt und lückenlos gewährleistet sein. Staatliche Unternehmen dürfen im Vergleich zu privaten Akteuren keinen erleichterten Zugang zu Finanzierungen und Beihilfen haben. Eine effektivere Überwachung der Aktivitäten staatlicher Unternehmen, die Beihilfen erhalten, ist dringend notwendig, da interne Vergaben und horizontale Kooperationen zwischen Behörden oder staatlichen Unternehmen ebenfalls Beihilfen darstellen können, die grundsätzlich nach Art. 107 AEUV verboten sind und bei Nichterfüllung der Voraussetzungen untersagt werden müssen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Alles in allem ist der Entwurf des „Clean Industrial Deal State Aid Framework, CISAF“ unzureichend im Hinblick auf sein erklärtes Ziel der Förderung der Erreichung der Ziele des Clean Industrial Deals. Obwohl die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung zum Clean Industrial Deal die zentrale Rolle der Kreislaufwirtschaft für Dekarbonisierung und Ressourcensicherheit explizit hervorhebt, findet diese Erkenntnis keine hinreichende Übersetzung in konkrete und effektive Beihilfemaßnahmen. Die bloße „Ermutigung“ der Mitgliedstaaten, Projekte im Rahmen der Kreislaufwirtschaft zu fördern, ist bei weitem nicht ausreichend, um die dringend notwendigen Investitionen und strukturellen Veränderungen in diesem Sektor anzustoßen.

Beihilferegeln zur Schaffung und zum Erhalt von Recyclingkapazitäten sowie zur Stimulierung der Nachfrage nach Rezyklaten sind unerlässlich. Diesbezüglich entspricht der Entwurf des CISAF nicht den ambitionierten Recyclingquoten und Mindestrezyklateinsatzquoten, die die EU in ihrer Umweltgesetzgebung festgelegt hat. Ohne entsprechende Anreize für Investitionen und Abnahmeverpflichtungen für Rezyklate wird es unmöglich sein, diese Ziele zu erreichen. Die Recyclingindustrie in der EU sieht sich zudem einem erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber Primärindustrien ausgesetzt, indem die KUEBLL Recyclingtätigkeiten nicht als energieintensive Tätigkeiten anerkennt, die von Stromabgaben befreit werden könnten. Dies führt zu einer Verzerrung des Wettbewerbs, die gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit des Recyclings massiv gefährdet.

Zudem ist der Entwurf auch im Hinblick auf den angestrebten umfassenden Bürokratieabbau und einen niedrigschwelligen Zugang zu Beihilfen für KMU unzureichend. Zwar erkennt der Verband den Willen, die Dekarbonisierung zu fördern, indem vielfältige Technologien zur Dekarbonisierung anerkannt werden, was eine klar zu begrüßende Technologieoffenheit erkennen lässt. Jedoch bleibt der Prozess zur Beantragung staatlicher Beihilfen für viele Akteure der Kreislaufwirtschaft nach wie vor zu komplex und intransparent. Auch die mangelnde Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs gegenüber öffentlichen Unternehmen, die möglicherweise bevorzugten Zugang zu Finanzierungen erhalten, ist sehr kritisch zu bewerten.

BDE und FEAD fordern daher eine Nachjustierung des CISAF, die die Kreislaufwirtschaft mittels einer konkreten und verpflichtenden Regulatorik im Beihilferahmen als tragende Säule des Clean Industrial Deals verankert. Nur eine solche Neuausrichtung kann die Transformation zu einer resilienten und klimaneutralen europäischen Industrie im Sinne des Clean Industrial Deal tatsächlich gewährleisten.

 

Zeitplan
Die Konsultation zum Entwurf des Beihilferahmens, an der sich BDE und FEAD beteiligt hatten, lief bis Ende April 2025. Es wird erwartet, dass der Beihilferahmen noch diesen Sommer veröffentlicht wird.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Juli 2025

Dr. Christian Suhl

Geschäftsführer / Syndikusanwalt, Leiter der Brüsseler Vertretung