Die geänderte Richtlinie (EU) 2024/3019 trat zum 01. Januar 2025 in Kraft und sieht strengere Regeln für die stufenweise Abwasserbehandlung und auch eine energie-effizientere Abwasserwirtschaft vor (siehe Europaspiegel Februar 2025). Grundsätzlich soll es drei Behandlungsstufen der Abwasserreinigung geben – für Einzugsgebiete, in denen eine besonders hohe Mikroschadstoffbelastung in Abwässern festzustellen ist, ist außerdem noch eine vierte Behandlungsstufe vorgesehen. Die Kosten dieser vierten Behandlungsstufe sollen im Rahmen des Verursacherprinzips zu einem weit überwiegenden Teil (mind. 80%) den Herstellern von Arzneimitteln und Kosmetika auferlegt werden.
Nachdem bereits diverse Unternehmen der Pharmaindustrie gegen diese Regelungen geklagt haben, hat nunmehr auch Polen am 10. März 2025 eine Klage nach Art. 263 AEUV beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht.
Zur Begründung führt die polnische Regierung aus, dass die „Abwälzung“ der Behandlungskosten gegen das Verursacherprinzip, den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verstoße. Es sei schlichtweg nicht ersichtlich, warum die Kosten der Abwasserbehandlung fast ausschließlich auf Unternehmen der Pharmaindustrie umgelegt werden sollen, wenn auch Hersteller aus anderen Branchen einen wesentlichen Beitrag zur Verschmutzung von Kommunalabwässern mit Mikroschadstoffen leisteten.
Anders als die klagenden Unternehmen muss Polen als Mitgliedstaat keine konkrete eigene Betroffenheit darlegen, damit die Klage als zulässig angenommen wird. Der EuGH wird also in jedem Fall eine Entscheidung in der Sache treffen müssen. Parlament und Rat als Beklagte Gesetzgeber werden voraussichtlich darlegen müssen, dass die Priorisierung der Pharmaindustrie im Rahmen der Herstellerverantwortung nicht willkürlich ist, sondern auf wissenschaftlichen Erkenntnissen bzgl. der Anteile verschiedener Branchen an der Abwasserverschmutzung beruht.
Das Urteil kann für die Frage, wie konkret erweiterte Herstellersysteme einzelne Branchen in die Pflicht nehmen dürfen, wesentliche Bedeutung haben. Grundsätzlich kann der EuGH Rechtsakte der Union für „teilnichtig“ erklären, soweit der Rechtsakt im Übrigen sinnvollen Bestand haben kann. Wer dann aber die Kosten der vierten Reinigungsstufe im Rahmend er erweiterten Herstellerverantwortung nach der Kommunalabwasserrichtlinie zu tragen hat, würde neu geregelt werden müssen, wenn die Klage für begründet erachtet wird.
Der BDE sieht es kritisch, den Anteil der Hersteller von 80% an den Kosten der Abwasserbehandlung herabzusetzen. Die Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung sind ein sinnvolles und effektives Mittel, die entsprechenden Anreize zu setzen, dass Produzenten ihre potenziell negativen Auswirkungen für Umwelt und Gesundheit geringhalten. So sprach sich der Verband im Gesetzgebungsverfahren dafür aus, die Kosten der Abwasserbehandlung zu 100% den Herstellern aufzuerlegen.