Wasserresilienz

Europäische Kommission stellt Strategie für resiliente Wasserbewirtschaftung vor

Im Europaspiegel Februar 2025 wurde von der Ankündigung der Europäischen Kommission berichtet, in der aktuellen Legislaturperiode mehrere Maßnahmen zur Gewährleistung einer resilienten Wasserversorgung zu treffen. Die erste dieser Maßnahmen, die sogenannte Europäische Strategie zur Wasserresilienz  wurde nunmehr am 4. Juni von der Europäischen Kommission vorgestellt. Im Vorfeld der Veröffentlichung hatte die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation durchgeführt, an der sich BDE und FEAD beteiligt hatten.

 

Hintergrund
Die „Europäische Strategie zur Wasserresilienz“ der Europäischen Kommission zielt zunächst darauf ab, zu gewährleisten, dass Wasserquellen ordnungsgemäß bewirtschaftet werden und Wasserknappheit bekämpft wird. Auf lange Sicht soll eine erschwingliche Versorgung mit Wasser für künftige Generationen gewährleistet werden. Darüber hinaus widmet sich die Strategie neuen Investitionsmöglichkeiten für eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung, um die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der Europäischen Union zu stärken. Des Weiteren sollen unterbrochene Wasserkreisläufe wiederhergestellt und geschützt werden; die Stärkung des Wasserkreislaufs ist Kernbestandteil der neuen Strategie. Bei den übergeordneten langfristigen Zielen der Initiative handelt es sich um die Sicherstellung einer wettbewerbsfähigen EU-Wasserwirtschaft und dem Übergang zu einer sauberen und umweltschonenden Kreislaufwirtschaft.

Hintergrund dieser Strategie zur Wasserresilienz ist die Erkenntnis der Europäischen Kommission, dass trotz des umfassenden Rechtsrahmens der EU zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen eine anhaltende Verschlechterung und Verschmutzung der Ressource Wasser sowie von wasserbezogenen Ökosystemen, einschließlich Küsten- und Meeresökosystemen, in der EU zu konstatieren ist. Diese Entwicklung ist höchst problematisch, da es sich bei dem Zugang zu sauberem und erschwinglichem Wasser um ein Menschenrecht handelt. Infolge wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten sowie des Klimawandels gerät die EU-weite Versorgung mit Wasser unter Druck. Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass etwa ein Drittel der Fläche Europas jedes Jahr von Wasserknappheit betroffen ist. Überschwemmungen sollen zwischen 1980 und 2023 Verluste in Höhe von über 300 Milliarden Euro verursacht haben. Vor diesem Hintergrund widmet sich die Strategie – unter Berücksichtigung der Ziele des Clean Industrial Deal– einer deutlichen Verbesserung der Umsetzung der EU-Regulatorik im Bereich des Wasserrechts, um die gravierenden Probleme im Bereich der Wasserversorgung zu bekämpfen.

Entscheidend ist im Hinblick auf diese neue Strategie, dass keine neuen Gesetzesvorschläge auf dem Gebiet des EU-Wasserrechts vorgeschlagen werden sollen. Die Europäische Kommission betont die Notwendigkeit, die bestehende EU-Regulatorik – zu der nicht zuletzt auch die kürzlich verabschiedete Kommunalabwasserrichtlinie zählt – so effektiv wie möglich in nationales Recht umzusetzen. Um die bestmögliche Umsetzung als erste Säule der Wasserresilenzstrategie zu erreichen, will die Europäische Kommission den Austausch mit den EU-Mitgliedstaaten sowie die Überwachung der Umsetzung intensivieren und zudem Regionen sowie Gemeinden und Kommunen der EU-Mitgliedstaaten stärker in den Dialog einbeziehen. Dazu soll ab Dezember 2025 alle zwei Jahre ein “Forum Wasserresilienz” stattfinden, um einen Dialog mit verschiedenen Interessengruppen über die Umsetzung der EU-Wasserresilienzstrategie zu fördern. Das Forum soll einen inklusiven Dialog mit allen relevanten Akteuren ermöglichen, darunter Mitgliedstaaten, Regionen, Kommunen, Unternehmen, Bürger und Nichtregierungsorganisationen. Ziel ist es, die Umsetzung der Wasserresilienzstrategie zu unterstützen und voranzutreiben.

Die zweite Säule der Strategie zur Wasserresilienz der Europäischen Kommission betrifft Investitionen. Den Berechnungen der Europäischen Kommission zufolge besteht in Bezug auf die Wasserversorgung eine jährliche Investitionslücke in Höhe von etwa 23 Milliarden Euro, die es zu schließen gelte. Deshalb seien umfassende zusätzliche öffentliche und auch private Investitionen erforderlich, um schnellstmöglich zu einer widerstandsfähigen Wasserversorgung zu gelangen. Um diese Investitionslücke zu schließen, sollen zunächst die für die Wasserversorgung vorgesehenen EU-Mittel aufgestockt werden. Seitens der Europäischen Investitionsbank (EIB) soll ein neues Investitionspaket in Höhe von mehr als 15 Milliarden Euro für den Zeitraum 2025-2027 zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus müsse die Lücke durch private Investitionen geschlossen werden, für die in Zukunft immer mehr Anreize geschaffen werden sollen. Diesbezüglich wird auch an die Mitgliedstaaten appelliert.

Weiterhin befasst sich die Strategie zur Stärkung der Wasserresilienz mit der Förderung von Forschung und Innovation sowie der Verbesserung von Frühwarn- und Überwachungssystemen zur Prävention von Naturkatastrophen. In diesem Zusammenhang soll etwa eine Europäische Wasserakademie gegründet werden. Ebenso soll ein sogenanntes „Forum zur Wasserresilienz“ mit verschiedenen Stakeholdern aus der Industrie sowie den Mitgliedstaaten ins Leben gerufen werden, um die Umsetzung des EU-Wasserrechts zu überwachen.

Schließlich kündigt die Europäische Kommission an, zu prüfen, wie der “Wasserfußabdruck” von Produkten gegebenenfalls im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte verringert werden könnte. Verbraucher sollen über wassereffizientere Produkte bestmöglich informiert werden, um Anreize für deren Erwerb zu schaffen.

Bewertung
Der BDE begrüßt die Strategie der Europäischen Kommission zur Stärkung der EU-Wasserresilienz. Es ist sehr positiv, dass sich die Europäische Kommission in dieser neuen Legislaturperiode in besonderem Maße der Wasserversorgung widmet, da eine solche Grundvoraussetzung für die Erreichung der Ziele des Clean Industrial Deal ist. Positiv zu bewerten ist auch, dass die Bedeutung der Stärkung des Wasserkreislaufs hervorgehoben wird. Damit wird inzident die Bedeutung der Abwasserbehandlung betont, da diese gerade der Schaffung und Erhaltung von Wasserkreisläufen dient.

Der BDE unterstützt auch ausdrücklich die Forderung, die Infrastruktur der Wasserversorgung zu verbessern, nicht zuletzt mit Blick auf die Wasserwiederverwendung. In diesem Zusammenhang sind Investitionen dringend erforderlich. Daher ist zunächst sehr begrüßenswert, dass über die Europäische Investitionsbank neue Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Das errechnete Investitionsdefizit in Höhe von jährlich 23 Milliarden Euro berücksichtigend, erscheint das zur Verfügung zu stellende Investitionsvolumen in Höhe von 15 Milliarden Euro über den Zeitraum von 2025-2027 jedoch nicht ausreichend. Es bleibt zu hoffen, dass die verbleibende Investitionslücke tatsächlich durch private Investitionen geschlossen werden kann. Hierzu bieten sich Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) an, bei denen private Entsorgungsunternehmen Kapital und Know-How in gemeinsame Gesellschaften mit den Trägern der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbehandlung einbringen. Es wäre zu wünschen gewesen, dass die Kommission im Rahmen der Wasserresilienzstrategie ÖPP als Lösungsmöglichkeiten stärker in den Fokus nimmt.

Die angekündigte verstärkte Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie den mitgliedstaatlichen Regionen und Kommunen ist grundsätzlich positiv zu bewerten und im Hinblick auf eine optimale Umsetzung der verbindlichen europarechtlichen Vorgaben geradezu erforderlich. Sie darf jedoch nicht dazu führen, dass es zu verstärkten kommunalen Kooperationen im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung kommt und private Anbieter von Wasserversorgungs- und Abwasserbehandlungsleistungen vom Markt verdrängt werden.

Nichtsdestoweniger ist zu kritisieren, dass die Strategie neue Legislativvorschläge per se ablehnt. Zwar ist richtig, dass die EU bereits über eine Regulatorik auf diesem Gebiet verfügt, die insgesamt als positiv zu bewerten ist. Das gilt beispielsweise für die verpflichtende Einführung einer vierten Reinigungsstufe sowie einer erweiterten Herstellerverantwortung im Rahmen der Überarbeitung der Kommunalabwasserrichtlinie. Gleichwohl besteht weiterer Verbesserungsbedarf im Europäischen Boden- und Wasserrecht – so sind die Förderung des Einsatzes organischen Düngers und die Stärkung des Phosphor- und Klärschlammrecyclings wichtige Themen, bei denen eine Anpassung des EU-Gesetzesrahmens wünschenswert wäre.

Auch bezüglich der Wasserwiederverwendung sind neue Vorschriften auf EU-Ebene erforderlich. Wasserwiederverwendungssysteme sollten verpflichtend in besonders von Trockenheit betroffenen Gebieten sowie etwa für die Bewässerung von Stadtgrün eingeführt werden. Leistungsfähige Abwasserbehandlungsanlagen würden hierbei eine wichtige Rolle spielen, da das dort behandelte Abwasser eine zentrale Quelle für derartige Wasserwiederverwendungssysteme darstellen würde. Die private Wasserwirtschaft kann hier eine wichtige Unterstützung bieten.
 

 

Zeitplan
Da sich die Strategie der effektiven Umsetzung der bestehenden EU-Gesetzgebung widmet, werden keine Gesetzesüberarbeitungen angekündigt. Das neu einzurichtende „Forum zur Wasserresilienz“ soll zum ersten Mal im Dezember 2025 und daraufhin alle zwei Jahre tagen. 2027 ist eine Halbzeitbewertung der Fortschritte bei der Umsetzung der Strategie geplant, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Juli 2025

Dr. Christian Suhl

Geschäftsführer / Syndikusanwalt, Leiter der Brüsseler Vertretung