Net Zero Industry Act

Verfahren zur Anerkennung strategischer Projekte durch die Europäische Kommission haben begonnen

Der Net Zero Industry Act (NZIA) ist am 29. Juni 2024 in Kraft getreten. Diese Verordnung hat zum Ziel, die Produktionskapazitäten für emissionsarme grüne Technologien (sogenannte Netto-Null-Technologien) in Europa bis 2030 auf mindestens 40% des jährlichen EU-Bedarfs zu steigern. Produzenten und Investoren sollen damit Planungs-sicherheit erhalten. Projekte, die sich mit dem Ausbau derartiger grüner Technologien befassen, haben seit Juli 2024 die Möglichkeit, von der Europäischen Kommission als sogenannte „strategische Projekte“ anerkannt zu werden. Damit sollen vor allem Anreize für private Investitionen in diese Projekte geschaffen werden.


Hintergrund
Der NZIA will die nationale Förderung emissionsarmer grüner Technologien (sogenannter Netto-Null-Technologien) stärken. Darunter fallen solche Technologien, die für die Dekarbonisierungsziele der EU – insbesondere für das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 – und die Verbesserung des Binnenmarkts von wesentlicher Bedeutung sind. Im Bereich erneuerbarer Energien gemäß der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) gehören auch Projekte zur Energieerzeugung aus Biogas und Biomasse dazu. Daneben werden etwa Technologien zur Abscheidung, Speicherung sowie zu Transport und Nutzung von CO2 erfasst.

Projekte können von der Europäischen Kommission eine Anerkennung als „strategisches Projekt“ erhalten und damit von verkürzten Genehmigungsverfahren im eigenen Land profitieren. Sind sie als strategisch anerkannt, müssen Investitionsprojekte, die eine jährliche Gesamtleistung von einem Gigawatt oder mehr erbringen können, EU-weit innerhalb von 18 Monaten genehmigt werden – Projekte unter einem Gigawatt innerhalb 12 Monaten. In beiden Fällen ist eine Verlängerung um maximal drei Monate zulässig. Die Europäische Kommission führt regelmäßig Ausschreibungen für die Anerkennung strategischer Projekte durch. Das erste Ausschreibungsverfahren läuft seit Ende Juli und ist nicht befristet.

Wesentlicher Inhalt des erforderlichen Antrags
Das Projekt ist zunächst kurz zusammenzufassen. Daneben sind ein Geschäftsplan vorzulegen und ein Verantwortlicher für das Projekt zu benennen. Es sind Angaben zu der Rolle dieses Verantwortlichen und zu dessen Aufgabenbereich im Rahmen des Vorhabens zu machen. Sodann sind Ausführungen dahingehend erforderlich, inwieweit es sich um die Errichtung oder Erweiterung emissionsneutraler Technologien handelt. Konkret sind die einzelnen Entwicklungsstufen, begonnen mit einer Durchführbarkeitsstudie, der konkreten Investitionszusage mit Datum sowie der endgültige Konstruktionszeitraum darzulegen. Je detaillierter und konkreter die Ausführungen sind, desto größer ist auch hier die Chance, als strategisches Projekt anerkannt zu werden.

Im nächsten Schritt sind Angaben zur Art und Weise erforderlich, wie das Projekt dazu beitragen soll, die Emissionen industrieller Prozesse zu reduzieren. Insbesondere müssen auch detaillierte Angaben zur Gesamtleistung des jeweiligen Projekts gemacht werden, damit geprüft werden kann, ob der relevante Schwellenwert von einem Gigawatt überschritten wird. Des Weiteren sind Ausführungen zur Relevanz des Vorhabens entlang der Wertschöpfungskette innerhalb der EU erforderlich sowie Informationen darüber, warum eine Einstufung als strategisches Projekt gerade für das konkrete Vorhaben von Relevanz ist.

Entscheidend für die Genehmigungsfähigkeit sind Informationen über den Beitrag des Projekts zu einer nachhaltigen Versorgung mit Netto-Null-Technologien. In diesem Zusammenhang ist konkret darzulegen, dass mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt wird:

  • es handelt sich um eine Technologie, bei der die EU derzeit zu mehr als 50% auf Importe aus Drittländern angewiesen ist;
  • das Projekt schafft zusätzliche Produktionskapazitäten zur Erreichung der Klimaziele bis 2030;
  • es handelt sich um eine Technologie, von der die Fertigungskapazitäten der Union einen erheblichen Anteil an der Weltproduktion ausmacht und die eine entscheidende Rolle für die Widerstandsfähigkeit der Union spielt.

Die Europäische Kommission ist verpflichtet, bis März 2025 Leitlinien zur einheitlichen Anwendung der Grundsätze und Bedingungen dieser Verordnung zu erlassen. Beispielsweise ist hierin etwa zu regeln, was konkret einen erheblichen Teil der weltweiten Fertigungskapazitäten ausmacht.

Der Antrag auf Anerkennung als strategisches Projekt ist zunächst bei dem jeweiligen Mitgliedstaat einzureichen. Dieser überprüft die erforderlichen Angaben auf Vollständigkeit und beantragt sodann für den jeweiligen Projektträger eine Anerkennung bei der Europäischen Kommission. Innerhalb von 30 Tagen ist sodann eine Rückmeldung seitens der Europäischen Kommission zu erteilen. Andererseits können Projektträger ihren Antrag auch bei der Kommission direkt einreichen, wenn sie sich zuvor an den jeweiligen Mitgliedstaat gewandt haben und dieser den Antrag – nach Auffassung des Projektträgers – zu Unrecht abgelehnt hat. Allerdings haben sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Europäische Kommission die Möglichkeit, eine Anerkennung wieder zurückzunehmen, sofern die Anforderungen an strategisch wichtige Projekte nicht mehr erfüllt werden.


Bewertung
Im Ergebnis stellt die Anerkennung strategischer Projekte und die damit verbundene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, das Kerninstrument zur Förderung grüner Technologien dar. Positiv zu werten ist, dass der NZIA dabei technologieoffen ist und demzufolge viele Projekte für die Anerkennung als strategisches Projekt infrage kommen.

Aus Sicht des BDE wäre jedoch die Bereitstellung von finanziellen Fördermitteln aus dem EU-Haushalt erforderlich gewesen: eine Finanzierung allein durch die Mitgliedstaaten und private Investoren ist nicht ausreichend angesichts der Relevanz dieser Technologien für den grünen und digitalen Wandel und die Stärkung des Industriestandortes Europa. Somit bleibt abzuwarten, ob der NZIA tatsächlich eine spürbare Wirkung entfalten und zu einem signifikanten Ausbau der Netto-Null-Technologien in der EU beitragen kann.


Ausblick
Im Unterschied zum CRMA sehen die Ausschreibungen im Rahmen des NZIA keinen Stichtag vor, was sehr positiv ist und die Verfahren beschleunigt. Anträge können durchgehend gestellt werden und eine Auskunft über die Vollständigkeit des Antrags ist durch die Kommission innerhalb von 30 Tagen nach Antragstellung zu erteilen. Im Falle der Vollständigkeit prüft die Europäische Kommission den Antrag anschließend innerhalb von 20 Arbeitstagen und teilt dem Projektträger innerhalb dieser Frist ihre Entscheidung über die Anerkennung mit.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Oktober 2024

Vera Greb

Europareferentin für Abfall- und Umweltrecht