Eine Kreislaufwirtschaftsstrategie für Deutschland

Die 8 Kernbotschaften des BDE

Die Kreislaufwirtschaftsstrategie, zu der sich die Bundesregierung verabredet hat, kann eine wichtige Chance für den Industriestandort Deutschland sein. Die Umsteuerung hin zu einem Ressourcenverständnis, das mehr Rohstoffunabhängigkeit, weniger Energieeinsatz und deutlich weniger CO2-Emissionen bedeutet, hilft langfristig den Unternehmen und stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Eine solche Strategie muss die Aktivitäten verschiedener Ministerien und staatlicher Ebenen bündeln, sie muss die Umsetzung des Green Deal in Brüssel einerseits mit neuen Impulsen versehen und andererseits ein Level Playing Field im europäischen Binnenmarkt unterstützen. Es gilt, die Stärken des Standortes Deutschland weiterzuentwickeln, aber auch die Schwächen konsequent anzugehen und zu beseitigen.

Die Unternehmen der Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft im BDE haben in den letzten Monaten intensiv an den Vorschlägen aus der Praxis gearbeitet. Sie freuen sich auf den Diskussionsprozess, der für die nächsten Monate angekündigt ist und auf die Impulse aus anderen Bereichen. Kreislaufwirtschaft bleibt die entscheidende Verknüpfung von Wettbewerbsfähigkeit und der angestrebten Klimaneutralität. Sie ist wichtiger denn je.

 

#1

Ziel muss es sein, das Abfallaufkommen stärker als bisher vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln und so gute und so viele Rohstoffe wie möglich aus Abfallströmen zu gewinnen. Dazu ist es entscheidend, rohstoffeffizienter zu wirtschaften, Nutzungsphasen von Waren zu verlängern und die Anstrengungen für eine ambitioniertere und bessere Getrenntsammlung deutlich zu steigern. Für alle Stoffströme gilt: Verbundmaterialien sind für die Kreislaufführung nicht geeignet, gute Getrennterfassung und -sammlung sind notwendige Voraussetzung für das Schließen von Stoffstromkreisläufen.

Im Einzelnen schlagen wir – u.a. – vor:

Bringsysteme (Wertstoffhöfe) nur noch für hierfür geeignete Abfälle, z.B. für gefährliche Abfälle, und lediglich ergänzend zum Holsystem für Massenströme wie Papier und Bio; diese müssen grundsätzlich haushaltnah erfasst werden.
Der niedrige Anschlussgrad von 50 Prozent der Haushalte in Deutschland bei der Sammlung organischer Abfälle trotz zehnjährigem Bestehen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes muss Anlass für eine Vollzugsoffensive in allen Kreisen und Städten für eine flächendeckende Organiksammlung sein.

Bei Sanierungs- und Abbrucharbeiten in Gebäuden ist die Bauherrenverantwortung für ein Rückbaukonzept und darauf aufbauend die getrennte Erfassung der anfallenden Materialströme unverzichtbar für die bestmögliche Gewinnung von mineralischen Recycling-Rohstoffen.

#2

Die Öffentliche Hand ist als Marktteilnehmer von entscheidender Bedeutung, v.a. im Bereich der Mineralik, um die Marktbedingungen zugunsten recycelter Materialien zu verbessern. Gesetze sind hier hilfreich, die Entschlossenheit der Behörden, bei ihrem Beschaffungsverhalten Kreislaufwirtschaft zu unterstützen, aber mindestens so wichtig. Wo nicht kreislauffreundlich beschafft wird, müssen die Ämter erklären, aus welchen Gründen dies nicht möglich war. Das von der Bundesregierung geplante Recyclinglabel ist zeitnah einzuführen.

#3

Der Europäische Binnenmarkt und die enge wirtschaftliche Verflechtung der Mitgliedsstaaten erzwingen ein Level Playing Field in der EU, das nicht nur auf dem Papier existiert. Neben dem überfälligen europaweiten Deponieverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle benötigen wir Verbesserungen bei der innereuropäischen Abfallverbringung, identische finanzpolitische Instrumente und insbesondere endlich ein gleiches Verständnis von Vollzug und Umsetzung der europäischen Regulatorik.

#4

Die Schnittstellen im Kreislauf müssen transparent und präzise definiert sein, am besten einheitlich in der EU. Wann endet das Abfallregime, wann beginnt der Produktstatus – wann endet die Produkteigenschaft und greift die Abfallregulatorik? Der Flickenteppich teils sogar innerhalb Deutschlands ist inakzeptabel, wenn wir Marktchancen für gute Rezyklate erhöhen wollen. Uneinheitliches Verständnis der Schnittstellen im Kreislauf verhindert optimales Recycling.

#5

Quoten sind – auch in der Kreislaufwirtschaft – kein Selbstzweck. Da, wo sie Rezyklatmärkte stärken, zu Investitionen und Innovationen motivieren, Produzentenverhalten beeinflussen können, sind sie sinnvoll. Das dürfte vor allem im Kunststoffbereich gelten. Da, wo diese Zielsetzungen ausscheiden, z.B. weil die größte Herausforderung ist, überhaupt an qualitativ gute Recyclingrohstoffe zu kommen (etwa bei vielen Metallen), machen sie keinen Sinn und dürften eher zu neuen Problemen führen.

#6

Die zirkuläre Wirtschaft von morgen wird digital sein. Nur bestmögliche Transparenz hinsichtlich Materialzusammensetzung und Produktbeschaffenheit sichern die Akzeptanz entlang der Wertschöpfungskette. Im Binnenmarkt brauchen wir diese Regeln zum Produktpass auf europäischer Ebene; Deutschland kann und sollte hier Vorreiter sein. Die Großbaustelle „Digitale Verwaltung“ muss schneller angegangen werden und Nachweis- und Kontrollverfahren sowie die Zugänge für Unternehmen zur Verwaltung digitalisiert werden.

#7

Kreislaufwirtschaft ist ein immer wichtigerer Teil des Industriestandortes Deutschland. Wenn dieser an Attraktivität verliert, hat das Auswirkungen auch auf unsere Branche. Eine sichere und bezahlbare Versorgung mit Energie – auch mittel- und langfristig – ist für die Industrie existentiell. Wenn sie nicht gewährleistet ist und die produzierende Industrie ihre Nachfrage reduzieren muss, wird auch eine qualitativ aufwendige Sammlung und Aufbereitung ihre wirtschaftliche Basis verlieren. Die aktuellen Verwerfungen im Marktgeschehen erzwingen kurzfristige Ausweichstrategien, die allerdings den grundsätzlichen Kurs in Richtung Circularity nicht in Frage stellen dürfen. Wer bessere Kreislaufwirtschaft in Deutschland will, muss den Industriestandort stabilisieren.

#8

Die Kreislaufwirtschaftsstrategie kann zu neuer Dynamik, sowie besserer Verzahnung und Kreislaufführung führen. Dazu sollte sie ambitionierte, praxisfähige neue Ziele formulieren. Genauso wichtig ist eine Analyse und Auseinandersetzung mit den Schwächen des Kreislaufwirtschaftsstandortes Deutschland. Nur mit einem grundsätzlich anderen Ressourcenumgang, d.h. mehr und besserer Kreislaufwirtschaft, haben wir eine Chance, ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Angesichts der CO2-Minderungspotentiale in der Produktion, im Gebäudebereich und in der Wasserwirtschaft ist eine ambitionierte Kreislaufwirtschaftsstrategie auch in Deutschland alternativlos.

 

Grafik: Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft © BDE e.V.

 

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