Revision der Abfallrahmenrichtlinie

Umweltausschuss legt Bericht vor

Mitte Februar legte der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments seinen Bericht zur Revision der Abfallrahmenrichtlinie in Bezug auf Lebensmittel- und Textilabfälle vor.

 

Hintergrund
Im Juni 2023 präsentierte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine partielle Revision der Abfallrahmenrichtlinie (siehe Europaspiegel 10/2023). Konkret sind neue Regelungen für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen und den Umgang mit Alttextilien vorgesehen. Die Revision zielt auf die Förderung der getrennten Sammlung, Sortierung, Wiederverwendung und das Recycling von Textilien sowie die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ab. Zentraler Bestandteil ist eine erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien und die Verbesserung der Sammel- und Recyclingquoten. Seit Mitte 2023 diskutieren die Mitglieder des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments den Vorschlag und nahmen am 14. Februar 2024 den Bericht der Berichterstatterin Anna Zalewska (EKR, Polen) an.
 

Wesentlicher Inhalt & aktuelle Entwicklungen
Textilien

Für das Herzstück der Revision, die erweiterte Herstellerverantwortung, hatte die Europäische Kommission vorgesehen, Kleinstunternehmen – d.h. Unternehmen, die einen Jahresumsatz von maximal 2 Millionen EUR und maximal 10 Mitarbeiter haben – vom Geltungsbereich auszunehmen. Obwohl es Änderungsanträge sowohl zur Vergrößerung als auch zur Verkleinerung der Ausnahmen gab, hat sich der Ausschuss am Ende dafür entschieden, den Kommissionsvorschlag an dieser Stelle nicht zu verändern.

Ähnlich verhielt sich der Ausschuss auch bei den finanziellen Verpflichtungen der erweiterten Herstellerverantwortung. Der Kommissionsvorschlag sieht dazu vor, dass Hersteller – die alle Unternehmen umfassen, die ein Textilprodukt das erste Mal auf dem europäischen Markt anbieten – die Kosten für die Sammlung, die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling, die Verwertung und die Beseitigung von Textilabfällen tragen sollen. Darüber hinaus umfasst die Herstellerverantwortung die Bereitstellung von Informationen zur Entsorgung und Recycling, die Berichterstattung an die zuständigen Behörden und die Finanzierung von Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Sortier- und Recyclingverfahren.

Änderungen hingegen hat der Umweltausschuss hinsichtlich der Beteiligten an den Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung (Producer Responsibility Organsiations, PROs) eingeführt. Im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag, der die Ausgestaltung der PROs den Mitgliedstaaten überlässt, hat der Ausschuss festgelegt, welche Akteure an den PROs beteiligt sein müssen. Der Bericht verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu die folgenden Wirtschaftsteilnehmer an den Prozessen zur Umsetzung, Überwachung und Überprüfung der erweiterten Herstellerverantwortung teilnehmen zu lassen: Hersteller, öffentliche und private Entsorger, Unternehmen, die Wiederverwendung oder Vorbereitung zur Wiederverwendung durchführen, lokale Behörden sowie Sozialunternehmen. In welcher Form und Funktion diese beteiligt werden müssen, wurde indes nicht festgelegt; dies zu regeln bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.

Weitere Veränderungen gibt es im Hinblick auf „Sozialunternehmen“. Der Kommissionsvorschlag gewährt ihnen weitreichende Ausnahmen, die vom Ausschuss nicht eingeschränkt, sondern erweitert wurden. Neben Sozialunternehmen dürfen nun auch lokale Behörden es verweigern ihre Textilabfälle an die beauftragten Entsorgungsunternehmen zu übergeben. Der Bericht fügt zusätzlich auch eine Definition von „Sozialunternehmen“ ein, die spezifiziert, dass die Tätigkeiten dieser Unternehmen „mit den Grundsätzen und Merkmalen der Sozialwirtschaft“ übereinstimmen, sowie, dass „soziale oder ökologische Ziele“ der Hauptgrund für ihre Tätigkeit sein müssen.

Konkrete Abfallreduktions-, Getrenntsammlungs-, Wiederverwendungs- und Recyclingquoten, die in einigen Änderungsanträgen gefordert wurden, sind nicht in dem Bericht aufgenommen worden. Stattdessen wird die Europäische Kommission damit beauftragt, bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht zum Status Quo bei Abfallreduktions-, Getrenntsammlungs-, Wiederverwendungs- und Recyclingquoten anzufertigen und diese, gegebenenfalls, um einen Gesetzesvorschlag zu ergänzen.

Lebensmittel
In Bezug auf die Reduktion von Lebensmittelabfällen hat sich der Umweltausschuss dazu entschlossen, die Zielvorgaben anzuheben. Der Kommissionsvorschlag hatte gefordert, dass es eine Abfallreduktion von 10% bei der Verarbeitung und Herstellung von Lebensmitteln im Vergleich zu 2020 geben soll. Beim Pro-Kopf-Aufkommen von Lebensmittelabfällen im Einzelhandel und der Gastronomie hingegen sollte eine Verringerung von 30% im Vergleich zu 2020 erreicht werden. Beide Ziele wurden im Umweltausschussbericht um jeweils 10 Prozentpunkte auf 20% bzw. 40% erhöht.


Bewertung
Leider haben sich im Umweltausschuss viele Änderungen am Kommissionsvorschlag durchgesetzt, die aus Sicht des BDE problematisch und abzulehnen sind. Insbesondere die Vorgabe, wer an den Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung zu beteiligen ist, sieht der Verband kritisch, da dies einen schweren Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellt und gesellschaftsrechtliche Probleme mit sich bringen dürfte. Durch die vielfältige Ausgestaltung der erweiterten Herstellerverantwortung in den Mitgliedstaaten ergibt sich natürlicherweise eine flexible und variierende Funktionsweise, die von der rigiden Festlegung von PRO-Teilnehmern massiv beeinträchtigt wird.

Bedauerlicherweise hat der Ausschuss es ebenfalls versäumt, die weitreichenden Ausnahmen vom Geltungsbereich der erweiterten Herstellerverantwortung einzudämmen. Im Kommissionsvorschlag, der von den Ausschussmitgliedern an dieser Stelle mitgetragen wird, werden Kleinstunternehmen, die ca. 88% der Marktteilnehmer ausmachen, von der erweiterten Herstellerverantwortung ausgenommen. Das steht im Gegensatz zum Verursacherprinzip, welches alle Unternehmen betreffen sollte, und erlaubt es der überwiegenden Anzahl der Marktteilnehmer, sich ihrer rechtmäßigen Verantwortung zu entziehen. Eine solche Regelung würde das Level-Playing-Field nachhaltig beschädigen.

Auch hinsichtlich der „Sozialunternehmen“ wurde es verkannt, problematische Sonderregelungen zu korrigieren. Beispielsweise wurde die Ausnahme, die es Sozialunternehmen erlaubt ihre Textilabfälle nicht an Entsorgungsunternehmen übergeben müssen, um lokale Behörden erweitert. Diese Änderungen im Ausschussbericht könnten es zukünftig möglich machen, die strengen Auflagen denen Abfallbewirtschaftern beispielsweise bei der Abfallbehandlung unterliegen, zu umgehen. Infolgedessen spricht sich der BDE konsequent gegen Ausnahmen für Sozialunternehmen aus.

Positiv bewertet der BDE hingegen das Bestreben des Ausschusses, eine Definition für „Sozialunternehmen“ festzulegen. Allerdings ist die vorgeschlagene Definition abzulehnen, da der Wortlaut eine Vielzahl von Schlupflöchern enthält. Die Definition bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich als „Sozialunternehmen“ zu deklarieren und die strengen Auflagen, die für Entsorgungsunternehmen gelten, zu umgehen.

 

Zeitplan
• Abstimmung im Plenum: voraussichtlich in der Sitzungswoche des 11. März 2024
• Allgemeine Ausrichtung des Rats: voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 (in der kommenden Legislaturperiode, da die Revision der Abfallrahmenrichtlinie keine Priorität der belgischen Ratspräsidentschaft ist)
• Umsetzung in nationales Recht: 18 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie
• Verpflichtende Getrenntsammlung von Textilien: ab 01. Januar 2025

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2024

Marlena Mazura

Europareferentin für Abfall-, Umwelt- und Energiepolitik