Critical Raw Materials Act

Europäisches Parlament bestätigt politische Einigung

Nachdem der Rat und das Europäische Parlament bereits ihre Verhandlungspositionen zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Critical Raw Materials Act – CRMA festgelegt hatten (siehe Europaspiegel Oktober 2023), erzielten Rat, Europäisches Parlament und Europäische Kommission am 13. November 2023 eine vorläufige Einigung in den Trilogverhandlungen. Diese vorläufige Einigung wurde am 12. Dezember 2023 durch das Plenum des Europäischen Parlaments förmlich bestätigt. Nunmehr steht somit lediglich noch die förmliche Bestätigung seitens des Rates aus, damit der finale Verordnungstext im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden kann.

 

Wesentliche Inhalte
Unterscheidung zwischen kritischen und strategischen Rohstoffen
Der Einigungstext sieht – wie bereits der Kommissionsvorschlag – eine Unterscheidung zwischen kritischen und strategischen Rohstoffen vor. Unter kritischen Rohstoffen versteht man alle nichtenergetischen, nichtlandwirtschaftlichen Rohstoffe, die für die EU-Wirtschaft wichtig sind, und bei denen ein hohes Versorgungsrisiko besteht. Strategische Rohstoffe im Sinne des CRMA sind diejenigen kritischen Rohstoffe, die infolge ihrer strategischen Bedeutung, dem prognostizierten Nachfragewachstum und der Schwierigkeit, ihre Erzeugung zu steigern, von noch größerer Bedeutung für die EU sind. „Strategisch“ ist die Bedeutung eines Rohstoffes, wenn dieser Rohstoff für eine Verwendung insbesondere in den Sektoren erneuerbare Energien, digitale Industrie, Weltraum- und Verteidigung sowie Gesundheit unerlässlich ist. Zu den strategischen Rohstoffen zählen zum Beispiel Lithium, Kupfer, Gallium oder Aluminium.

Teil der Verhandlungsposition des Europäischen Parlaments war unter anderem die Einführung einer zusätzlichen dritten Liste mit sogenannten strategischen Sekundärrohstoffen. Zu diesen sollte etwa Stahlschrott zählen. Der Positionierung des Europäischen Parlaments zu Folge sollte die Europäische Kommission verpflichtet werden, sechs Monate nach Inkrafttreten der Verordnung dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Liste solcher strategischen Sekundärrohstoffe zu präsentieren. Im Rahmen der Trilogverhandlungen hat man sich schließlich gegen die Einführung einer solchen dritten Liste mit strategischen Sekundärrohstoffen entschieden.

Richtwert für das Recycling von strategischen Rohstoffen angehoben
Die Verhandlungsführer haben sich allerdings darauf geeinigt, den Richtwert für das Recycling von strategischen Rohstoffen von 15% auf 25% anzuheben. Demnach sollen bis 2030 mindestens 25% des Jahresverbrauchs der Europäischen Union an strategischen Rohstoffen aus dem Recycling innerhalb der EU stammen. Hierbei handelt es sich – wie auch im Kommissionsvorschlag – weiterhin um einen unverbindlichen Richtwert und nicht um eine verpflichtende Quote.

Dauer von Genehmigungsverfahren
Die zulässige maximale Dauer der Genehmigungsverfahren wird länger als ursprünglich im Kommissionsvorschlag vorgesehen. Genehmigungsverfahren für Projekte in Bezug auf das Recycling strategischer Rohstoffe können nun bis zu 15 Monate dauern. Die Europäische Kommission hatte in ihrem Vorschlag eine maximale Verfahrensdauer von 12 Monaten mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um einen Monat vorgesehen. Der Einigungstext sieht eine Verlängerungsmöglichkeit für Projekte in Bezug auf das Recycling strategischer Rohstoffe in Höhe von maximal drei Monaten vor. Das Europäische Parlament hatte sich in seiner Positionierung im Hinblick auf die Dauer der Genehmigungsverfahren dem Kommissionsvorschlag angeschlossen, der Rat hatte sich demgegenüber für eine Verlängerung der Verfahrensfristen eingesetzt.

Zudem wurde die sogenannte „Genehmigungsfiktion“ aus dem Verordnungstext gestrichen. Der Kommissionsvorschlag hatte noch vorgesehen, dass ein Genehmigungsantrag grundsätzlich als genehmigt angesehen werden müsste, sofern die zuständige Genehmigungsbehörde bei Ablauf der vorgesehenen Frist nicht über den Genehmigungsantrag entschieden haben sollte.

Im Rahmen der Beschleunigung der Genehmigungsverfahren hatte der BDE gefordert, dass Recht der zuständigen Behörde, für die Genehmigung etwaig erforderliche Dokumente nachzufordern, zu beschränken. Demnach sollte nur eine einmalige Nachforderung durch die Behörde möglich sein. Dem Inhalt der Einigung zufolge muss die zuständige Behörde im Falle eines unvollständigen Antrags den Antragsteller spätestens 45 Tage nach Antragseingang unter Angabe der fehlenden Informationen auffordern, unverzüglich einen vollständigen Antrag einzureichen. Sofern der Antrag ein zweites Mal für unvollständig befunden wird, darf die zuständige Behörde lediglich Nachweise anfordern, die zur Vervollständigung der im ersten Ersuchen angeforderten Informationen notwendig sind. Informationen zu neuen Bereichen, die nicht bereits Teil des ersten Ersuchens waren, dürfen hingegen nicht angefordert werden.

Finanzierung strategisch wichtiger Projekte
In Bezug auf die Finanzierung strategisch wichtiger Projekte sieht der Einigungstext wie auch schon der Kommissionsvorschlag keine Unionsmittel vor, die verpflichtend zur Verfügung zu stellen sind. Es ist lediglich eine Beratung und Koordinierung der Finanzierung seitens des neu einzurichtenden Europäischen Ausschusses für kritische Rohstoffe vorgesehen. Im Rahmen dieser Koordinierung und Beratung zur Finanzierung sind einschlägige Förder- und Finanzierungsprogrammen der Union lediglich zu berücksichtigen.

Europäischer Ausschuss für kritische Rohstoffe   
Der Europäische Ausschuss für kritische Rohstoffe setzt sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zusammen, wobei die Kommission den Vorsitz führt.

Diesem Ausschuss werden in der Verordnung verschiedene Aufgaben zugewiesen, zum Beispiel im Hinblick auf die Einordnung eines vorgeschlagenen Projektes zur Gewinnung, Verarbeitung und dem Recycling strategischer Rohstoffe als strategisches Projekt. Die Einordnung eines Projektes als strategisch ist entscheidend für die Frage, ob man von beschleunigten Genehmigungsverfahren und einer priorisierten Finanzierung profitieren kann. Für Fragen hinsichtlich der Koordinierung der Finanzierung eines Projektes ist der Ausschuss ebenfalls zuständig. Gegenüber der Europäischen Kommission hat der Ausschuss jedoch lediglich eine beratende Funktion.

Neu im Vergleich zum Kommissionsvorschlag ist vor allem, dass der Ausschuss um eine Untergruppe zur Erörterung und zum Meinungsaustausch über Maßnahmen zur Förderung der Kreislauffähigkeit, der Ressourceneffizienz und der Substitution kritischer Rohstoffe ergänzt wird.

Bewertung
Die Bewertung der Einigung über den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Critical Raw Materials Act durch den BDE fällt gemischt aus. Zu den  positiven Aspekten zählt zunächst, dass man sich gegen die Forderung des Europäischen Parlaments zur Einführung einer Liste mit strategischen Sekundärrohstoffen entschieden hat. Diese Liste hätte nicht nur die klare Abgrenzung zwischen kritischen und strategischen Rohstoffen in Frage gestellt, da es damit eine dritte Kategorie von Rohstoffen gegeben hätte. Auch ist bereits der Begriff „strategische Sekundärrohstoffe“ problematisch, da die Frage, ob es sich um einen Primär- oder Sekundärrohstoff handelt, gerade keinen Einfluss auf dessen Einordnung als strategischer Rohstoff haben darf. Zudem ist im Falle von Stahlschrott, welcher nach der Position des Europäischen Parlaments als strategischer Sekundärrohstoff eingestuft werden sollte, gerade kein Versorgungsengpass zu prognostizieren. Somit hätte auch dessen Einstufung als strategisch gegen den Verordnungstext verstoßen.

Die Anhebung des Richtwertes für den Jahresverbrauch der Europäischen Union an strategischen Rohstoffen bis 2030 von 15% auf mindestens 25% ist hingegen kritisch zu bewerten. Zwar sieht der BDE ambitionierte Recyclingquoten grundsätzlich äußerst positiv, da sie eine wichtige und zielführende Maßnahme sind, um die Nachfrage nach Rezyklaten und in der Folge auch Investitionen in das Recycling anzukurbeln. Bei dem avisierten Prozentsatz in Höhe von 25% handelt es sich jedoch gerade nicht um eine verpflichtend einzuhaltende Quote, sondern nur um einen unverbindlichen Richtwert. Zudem fehlen noch die unionsweiten Infrastrukturen für das Recycling strategischer Rohstoffe. Vor diesem Hintergrund ist ein Richtwert in Höhe von 25% zu hoch, weshalb der BDE auch den von der Kommission vorgeschlagenen Wert von 15% befürwortet hat.

Des Weiteren ist die Verlängerung von Genehmigungsverfahren einer der Kernkritikpunkte des BDE zum Einigungstext. Der BDE hatte sich während des Gesetzgebungsverfahrens bereits für kürzere Fristen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag eingesetzt, da nach § 10 Abs. 6a des Bundesimmissionsschutzgesetzes Genehmigungsverfahren eine maximale Dauer von sieben bzw. im verkürzten Verfahren sogar nur drei Monaten haben dürfen. Grundsätzlich hatte die Europäische Kommission noch immerhin ein deutliches Signal gesetzt, dass beschleunigte Verfahren europaweit zwingend notwendig sind, um Abhängigkeiten von Importen aus Drittstaaten zu verringern. Jetzt wird der rasche Ausbau von Infrastrukturen für das Recycling und die Verarbeitung von strategisch wichtigen Rohstoffe jedoch gehemmt, indem man nicht ausreichend Druck auf die nationalen Behörden ausübt, um zügig eine Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu treffen.

Weiterhin wurde die zwingende Beschränkung eines Nachforderungsrechts der zuständigen Behörde nicht in ausreichendem Umfang im Einigungstext aufgenommen. Die nationale Behörde darf zumindest in einem zweiten Ersuchen keine Informationen zu Themenbereichen anfordern, die bereits Teil eines ersten Ersuchens waren. Eine solche Regelung ist jedoch nicht ausreichend und zeigt vielmehr, dass man im Rahmen der Verhandlungen widerwillig war, sich für ein klare Begrenzung des behördlichen Nachforderungsrechtes auszusprechen. Im Rat hat man sich bedauernswerterweise insgesamt für verlängerte Verfahren ausgesprochen und der Rat konnte sich letztlich mit seinen Forderungen hierzu auch durchsetzen. In diesem Zusammenhang ist zumindest positiv, dass der Einigungstext weiterhin die Feststellung enthält, dass die in der Verordnung festgelegten Fristen von den Mitgliedstaaten festgelegte kürzere Fristen unberührt lassen.

Neben den Genehmigungsverfahren bezieht sich die Kritik des BDE am Einigungstext vor allem auf die nicht ausreichenden Regeln zur Finanzierung strategischer Projekte für die Gewinnung, die Verarbeitung und insbesondere das Recycling strategischer Rohstoffe. Der Critical Raw Materials Act ist eine der Säulen des Green Deal Industrieplanes der EU, der europäischen Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act mit einem Volumen von 369 Milliarden US-Dollar allein für Investitionen in den Klimaschutz. Um eine taugliche europäische Antwort auf das amerikanische Modell zu sein, hätte der CRMA zwingend Unionsmittel in ausreichender Höhe für strategische Projekte zur Verfügung stellen müssen. Indem der Critical Raw Materials Act jedoch einerseits darauf hinweist, dass Investitionen in das Recycling kritischer Rohstoffe unabdingbar sind, andererseits jedoch keine konkreten Unionsmittel für strategisch wichtige Projekte zur Verfügung gestellt, bleibt es bei diesem inneren Widerspruch, der leider nicht aufgelöst wurde.

Abschließend ist als positiv anzumerken, dass der Europäische Ausschuss für kritische Rohstoffe um eine Untergruppe zur Erörterung und zum Meinungsaustausch über Maßnahmen zur Förderung der Kreislauffähigkeit von Rohstoffen ergänzt wird. Auch wenn dieser Ausschuss gegenüber der Europäischen Kommission nur eine beratende Funktion hat, werden ihm doch im Rahmen der Verordnung zahlreiche Aufgaben zugewiesen, nicht zuletzt hinsichtlich der Bewertung eines Projektes als strategisch sowie hinsichtlich deren Finanzierung. Da die Bedeutung des Recyclings für eine strategische Unabhängigkeit der EU in Bezug auf den Import strategischer Rohstoffe eine der Säulen der Verordnung darstellt, muss die Kreislaufwirtschaft zwingend auch innerhalb des Europäischen Ausschusses für kritische Rohstoffe eine zentrale Rolle spielen. 
 

Zeitplan
Nach der vorläufigen Einigung über das Dossier am 13. November 2023 wurde diese zunächst am 7. Dezember 2023 durch den federführenden Industrieausschuss (ITRE) des Europäischen Parlaments und sodann am 12. Dezember durch das Plenum förmlich bestätigt. Nunmehr muss lediglich der Rat der Einigung förmlich zustimmen. Diese förmliche Zustimmung ist in den nächsten Wochen zu erwarten, sodass dann der endgültige Verordnungstext im Amtsblatt der Europäischen Union  veröffentlicht werden kann. Am zwanzigsten Tage nach ihrer Veröffentlichung wird die Verordnung in Kraft treten und in jedem EU-Mitgliedstaat unmittelbar gelten und wirksam sein.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2024

Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung