Verpackungsverordnung

Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union suchen schnelle Einigung im Trilog

Die vorläufige Einigung von Parlament und Rat im Trilog zur Verpackungsverordnung ist bereits für den 04. März 2024 angestrebt. Erste Kompromisse sind gefunden.


Hintergrund
Nach der Positionierung des Europäischen Parlaments am 22. November 2023 erfolgte die Allgemeine Ausrichtung des Rates der Europäischen Union am 18. Dezember 2023. Die Europäische Kommission hatte ein Jahr zuvor, am 30. November 2022, ihren Verordnungsvorschlag veröffentlicht. Europäisches Parlament und Rat haben ihre Verhandlungsmandate durch Priorisierung des Dossiers  innerhalb eines Jahres erarbeitet, um das Gesetzgebungsverfahren möglichst vor Ende dieser Legislaturperiode abzuschließen. Sowohl die Europäische Kommission als auch die belgische Ratspräsidentschaft sind bestrebt, im zweiten formellen Trilog am 04. März eine vorläufige Einigung über das Dossier zu erzielen.


Aktuelles
Die Trilogverhandlungen unter Moderation der Europäischen Kommission laufen seit Anfang dieses Jahres. Es gab bereits eine Vielzahl technischer Meetings auf Arbeitsebene. Der erste politische Trilog fand am 05. Februar 2024 statt. Der Zweite und vorläufig Letzte ist für den 04. März 2024 angesetzt. Es gibt deshalb noch keine verlautbarte politische Einigung zu allen Themen. Die Gegenüberstellung der Verhandlungsmandate lässt aber einen Eindruck der politischen Ausrichtung im Hinblick auf wichtige Themen erahnen.


Wesentliche Inhalte – Gegenüberstellung der Verhandlungspositionen und bereits bekannte Kompromisse
Recyclinggerechte Gestaltung (Art. 6)
Ab 2030 müssen in der EU in Verkehr gebrachte Verpackungen recycelbar sein. Eine recyclinggerechte Gestaltung soll in delegierten Rechtskaten für verschiedene Verpackungskategorien festgelegt werden und in Klassen entsprechend der Recycelbarkeit eingestuft werden. Das Europäische Parlament hat diesbezüglich die BDE-Forderung übernommen und sieht die Ausrichtung des Verpackungsdesigns prioritär am mechanischen Recycling vor. Der Rat hat sich demgegenüber für die Ausrichtung am „material“ Recycling ausgesprochen. „Material“ Recycling meint laut Definition sowohl das mechanische als auch das chemische Recycling, nicht aber die Kompostierung. Eine Einigung im ersten politischen Trilog konnte diesbezüglich nicht gefunden werden. Das Thema wurde nach Auskunft des Büros der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, MdEP Frédérique Ries (RENEW, Belgien), aber viele Male ohne Einigung in technischen Meetings diskutiert.  Im letzten, dem BDE bekannt gewordenen, Steering Note schlug die belgische Ratspräsidentschaft allerdings die Ausrichtung des Verpackungsdesigns am „material“ Recycling vor.

Kunststoffrezyklateinsatz (Art. 7)
Der Kommissionvorschlag sieht den verpflichtenden Einsatz von Rezyklat aus Verbraucherabfällen in jeder Kunststoffverpackungseinheit
ab 2030 vor.

Die Verhandlungsführer hatten leicht unterschiedliche Positionen hinsichtlich der Mindestrezyklateinsatzhöhen für Lebensmittelkontaktverpackungen, die nicht aus PET (Polyethylenterephthalat) bestehen. Ihre vorläufige Einigung hinsichtlich der Mindestrezyklateinsatzhöhen ist bereits bekannt:



Bisheriger Diskussionsstand ist auch, dass der Bezugspunkt zur Berechnung der Quoten der Jahresdurchschnitt jedes Verpackungsformats und -typs einer Produktionsstätte sein soll (Art. 7 Abs. 1). Ein im Europäischen Parlament bisweilen diskutiertes Guthabensystem für Rezyklate hat sich nicht durchsetzen können.

Hinsichtlich der im Europäischen Parlament diskutierten Einführung eines Erstzugriffsrechts auf Rezyklate lässt eine uneindeutige Formulierung im Verhandlungsmandat des Parlaments (Art. 6 Abs. 7a) vermuten, dass es den Mitgliedstaaten die Freiheit einräumen möchte, Verpackungsherstellern ein Erstzugriffsrecht auf Rezyklate zu gewähren. Eine solche Formulierung findet sich aber nicht im Ratstext und auch nicht im Kommissionsvorschlag.

In Bezug auf die Frage, welche Rezyklate für die Erfüllung der nach Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verpackungsverordnung zu erreichenden Mindestrezyklateinsatzquoten verwendet werden können, war es Intention der Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag, dass dies nur Rezyklate, sein können, die aus Abfällen gewonnen wurden, die zuvor als Produkt innerhalb der EU in Verkehr gebracht worden und in der EU als Abfall angefallen sind. Sichergestellt war dies über die Definition des „post consumer plastic waste“ (Art. 3 Nr. 39 i.V.m. Nr. 7). Parlament und Rat hatten diese Vorgabe auch unproblematisch in ihre Positionen übernommen. Die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission (DG Trade) hat dagegen in letzter Minute handelsrechtliche Bedenken angebracht und fordert, die zugrundeliegende Definition für „post consumer plastic waste“ so zu ändern, dass auch in Drittstaaten hergestellte Rezyklate für die Erreichung der Mindestrezyklateinsatzquoten verwendet werden können.  Nach intensiven Diskussionen auf technischer Ebene schlägt der belgische Ratsvorsitz vor, den Text des Kommissionsvorschlags beizubehalten, der von keinem der beiden Mitgesetzgeber geändert worden war. Die Generaldirektion Handel hat sich dafür ausgesprochen, dass die Europäische Kommission die Definition von „post consumer plastic waste“ zurückzieht, also aus ihrem Verordnungsvorschlag streicht, wenn der Rat an diesem Standpunkt festhält.

Im Hinblick auf die Revisionsmöglichkeit der Mindestrezyklateinsatzquoten, die der Kommissionsvorschlag noch bei „mangelnder Verfügbarkeit“ oder „überhöhten Preisen“ vorsah (Art. 7 Abs. 10), haben sowohl Parlament und Rat der BDE-Forderung entsprechend Beschränkungen vorgenommen. Das Europäische Parlament begrenzte die Revisionsmöglichkeit auf eine einmalige Überprüfung im Jahr 2032 für die ab 2040 geltenden Quoten für den Fall der „mangelnden Verfügbarkeit“ (Art. 7 Abs. 9); eine Korrektur bei “überhöhten Preisen” wäre demnach nicht mehr möglich. Der Rat nahm eine Beschränkung dahingehend vor, dass er die Revision zwar grundsätzlich weiterhin aus Gründen der mangelnden Verfügbarkeit und überhöhter Preise zulässt, aber nur im Ausnahmefall bei schwerwiegenden Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Umwelt oder der Sicherheit der Lebensmittelversorgung erlauben möchte (Art. 7 Abs. 10).

Auch hinsichtlich der von Europäisches Parlament und Rat in ihren Positionen vorgenommenen Verwässerung der Mindestrezyklateinsatzquoten mit Bioplastik dahingehend, dass sie der Europäischen Kommission die Überprüfung der Sinnhaftigkeit der Erreichung der Quoten auch durch Bioplastik aufgegeben wollte, gab es im Trilog Verbesserungen. Die im Trilog gefundene politische Einigung beschränkt die in der Position des Parlaments vorgesehene Ermächtigung der Kommission,  einen Legislativvorschlag dazu zu unterbreiten, dass die Quotenerreichung durch biobasierte Kunststoffe erreicht werden darf, auf Lebensmittelkontaktverpackungen. Die Europäische Kommission selbst hatte in ihrem Vorschlag die Verwendung von biobasiertem Plastik in Zusammenhang mit Mindestrezyklatquoten nicht erwähnt.

Kompostierbare Verpackungen (Art. 8)
Obst- /Gemüseklebeetikette und Kaffee-/Teefilter/-pads müssen laut dem Kommissionsvorschlag bis zwei Jahre nach Inkrafttreten industriell kompostierbar werden, weil hier die Trennung der Verpackung vom eigentlichen Biobabfall schwierig ist und deshalb das nicht zu vernachlässigende Risiko besteht, dass die Verpackung ebenfalls im Bioabfall entsorgt wird. Rat und Parlament sind damit einverstanden. Das Europäische Parlament möchte zudem aber auch die Heimkompostierbarkeit dieser Verpackungen einführen. Kommission und Parlament sehen darüber hinaus auch die industrielle Kompostierbarkeit von sehr leichten Plastiktragetaschen nach zwei bzw. drei Jahren vor, wobei der Rat diese Entscheidung den Mitgliedstaaten überlassen möchte.

Die Entscheidung darüber, ob kompostierbare Verpackungen als Bioabfall der Getrenntsammlung unterliegen sollen oder nicht, ist nach Art. 22 Abs. 1 Abfallrahmenrichtlinie von den Mitgliedstaaten selbst zu treffen. Es besteht auch bereits Einigkeit darüber, dass alle anderen als die genannten Verpackungen (auch biologisch abbaubare oder kompostierbare) ab drei Jahren nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung, ein Recycling ermöglichen müssen, das die Recyclingfähigkeit anderer Abfallströme nicht beeinträchtigt.

Zudem tragen Parlament und Rat der Kommission auf, den europäischen Normungsorganisationen CEN/CENELEC einen Normungsauftrag zur Überarbeitung der Norm EN 13432 für Kompostierbare Verpackungen sowie die Schaffung einer Norm für heimkompostierbare Verpackungen zu erteilen, um ihre tatsächliche Kompostierbarkeit innerhalb der gängigen Kompostierungszeiten der Bioabfallbehandlungsanlagen zu gewährleisten.

Kennzeichnung von Verpackungen (Art. 11)
Die politische Einigung sieht vor, dass drei Jahre nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung oder zwei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Durchführungsrechtsakts die in Verkehr gebrachten Verpackungen mit einem Etikett versehen werden müssen, das Informationen über die Materialzusammensetzung (samt Rezyklatanteil) enthält, um dem Verbraucher die Getrenntsammlung zu erleichtern. Das Etikett muss auf Piktogrammen beruhen und leicht verständlich sein.

Mit Ausnahme von Verpackungen für den elektronischen Handel gilt diese Verpflichtung nicht für Transportverpackungen. Zusätzlich zum harmonisierten Etikett können die Wirtschaftsteilnehmer einen QR-Code oder eine andere Art von digitalem Datenträger auf der Verpackung anbringen, der Trennhinweise jedes einzelnen Bestandteils der Verpackung enthält. Bis eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte zur Festlegung eines harmonisierten Etiketts und von Spezifikationen für die Kennzeichnungsanforderungen und -formate, auch wenn sie auf digitalem Wege bereitgestellt werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Verbundverpackungen.

Kennzeichnung von Abfallbehältern für die Sammlung von Verpackungsabfällen (Art. 12)
Mit der Kennzeichnung der Verpackungen ist auch die Kennzeichnung von Abfallbehältern zur Verbesserung der Getrenntsammlung verbunden. Die Mitgesetzgeber haben sich diesbezüglich dahingehend geeinigt, dass bis drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Verpackungsverordnung oder zweieinhalb Jahre nach dem Erlass eines entsprechenden Durchführungsrechtsakts, die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass harmonisierte Etiketten, die die getrennte Sammlung jeder materialspezifischen Fraktion von Verpackungsabfällen ermöglichen, die in getrennten Behältern entsorgt werden sollen, auf allen Abfallbehältern für die Sammlung von Verpackungsabfällen gut sichtbar, leserlich und dauerhaft angebracht, aufgedruckt oder eingraviert werden. Ein Gefäß für Verpackungsabfälle soll mehr als ein Etikett tragen können. Eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung soll die Kommission auch hierfür harmonisierte Etiketten festlegen. Bei der Ausarbeitung des Durchführungsrechtsakts soll die Kommission die Besonderheiten der in den Mitgliedstaaten eingerichteten Sammelsysteme beachten.

Wiederverwendung- und Wiederbefüllungsquoten (Art. 26)
Die von der Europäischen Kommission eingeführten Wiederverwendungsquoten wurden im Parlament der BDE-Forderung entsprechend dahingehend ergänzt, dass der Einsatz recycelbarer Einwegverpackungen statt Mehrwegverpackungen möglich sein muss, wenn ihre Ökobilanz vorteilhafter ist. Eine solche Ausnahme sieht der Rat bislang nicht vor, wohl aber die einmalige Überprüfung der Wiederverwendungsziele für 2040 hinsichtlich ihrer Ökoblilanz im Jahr 2034.

 

Zeitplan
Die Erzielung  einer vorläufigen Einigung ist für die zweite formellen Trilogrunde am 4. März 2024 angestrebt. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens durch formelle Annahme und Unterzeichnung der Einigung durch Parlament und Rat noch in dieser Legislaturperiode ist weiterhin erklärtes Ziel der Verhandlungspartner. Die Verordnung würde dann am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Grundsätzlich sind die neuen Regeln ein Jahr – laut der Allgemeinen Ausrichtung des Rates eineinhalb Jahre – nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung unmittelbar ohne Umsetzung in nationales Recht anzuwenden, wobei viele Sondervorschriften hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit zu beachten sein werden.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2024

Vera Greb

Europareferentin für Abfall- und Umweltrecht