Vorschlag für eine Altfahrzeugverordnung

Frühzeitige Positionierung der Entsorgungswirtschaft

Nachdem die Europäische Kommission am 13. Juli 2023 den Vorschlag für eine neue Altfahrzeugverordnung veröffentlicht hat (siehe Europaspiegel Oktober 2023), haben die beteiligten Ausschüsse im Europäischen Parlament nach anfänglichen Gesprächen beschlossen, sich infolge der wenigen verbleibenden Monate dieser Legislaturperiode nicht mehr mit diesem Dossier zu befassen. Gleichwohl arbeitet der BDE zusammen mit der FEAD bereits an Vorschlägen für Änderungsanträge.

 

Hintergrund
Der Berichterstatter im federführenden Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI), der deutsche Abgeordnete Jens Gieseke (EVP), entschied Ende 2023, dass dieses Dossier zu umfangreich sei, um es noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode zu einem Abschluss bringen zu können. Um dem Umstand vorzubeugen, die Arbeit in den Ausschüssen aufgrund der anstehenden Europawahlen unterbrechen zu müssen, wurde beschlossen, die innerparlamentarische Arbeit zu diesem Dossier einzustellen und sie  mit Beginn der neuen Legislaturperiode im September oder Oktober dieses Jahres wieder aufzunehmen. Der BDE und der europäische Dachverband der privaten Entsorgungswirtschaft FEAD haben dennoch frühzeitig die Arbeit an Änderungsvorschlägen aufgenommen und bereits erste Änderungsvorschläge noch während der belgischen Ratspräsidentschaft sowohl an den Rat als auch an die Europäische Kommission verschickt.

Wesentliche Inhalte der Änderungsvorschläge
Mindestrezyklateinsatz
Der Vorschlag sieht vor, dass die Europäische Kommission künftig mittels delegierter Rechtsakte zur Ergänzung der Verordnung einen Mindestanteil etwa für aus Verbraucherabfällen recyceltem Aluminium und seinen Legierungen sowie Magnesium und seinen Legierungen festlegen können soll. Der BDE fordert in diesem Zusammenhang mehrere Änderungen: zum einen sollen derart wichtige Regelungen, die das primäre Ziel der Verordnung betreffen – nämlich die Kreislauffürung von Altfahrzeugen zu verbessern – nicht innerhalb delegierter Rechtsakte getroffen werden. Aufgrund ihres wesentlichen Charakters sollten derartige Regelungen im Verordnungstext selbst getroffen werden. Darüber hinaus fordert der BDE in diesem Zusammenhang, künftig auch einen Mindestrezyklateinsatz von Glas in der Altfahrzeugverordnung zu regeln, um auch bezüglich dieses Stoffstromes den Einsatz von Sekundärrohstoffen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Vereinfachung der Berichts- und Dokumentationspflichten
Der Kommissionsvorschlag enthält an mehreren Stellen überzogene Berichts- und Dokumentationspflichten, die weiteren Zielen der neuen Verordnung zuwiderlaufen, nämlich der Entbürokratisierung, der Digitalisierung und der damit einhergehenden Vereinfachung der Verfahren. Art. 49 Abs. 1 des Kommissionsvorschlages sieht zum Beispiel sehr weitgehende Berichtspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Kommission vor. Demnach müssen Hersteller, Abfallbewirtschafter und Organisationen für die Herstellerverantwortung den zuständigen nationalen Behörden sehr umfangreiche und detaillierte Daten zu registrierten Fahrzeugen, im Verkehr befindlichen Altfahrzeugen und konkreten Maßnahmen der Altfahrzeugbehandlung zukommen lassen. Die Mitgliedstaaten müssen diese Daten sodann in gebündelter Form veröffentlichen und der Kommission hierüber Bericht erstatten. Die genaue Methode zur Übermittlung der Daten sowie zur Berichterstattung an die Europäische Kommission soll letztere in noch zu erlassenen Durchführungsrechtsakten festlegen (Art. 49 Abs. 5).

Es ist zwar notwendig, dass der Europäischen Kommission Berichte vorgelegt werden, um dieser einen Überblick über die nationale Umsetzung und den Vollzug der Verordnung zu verschaffen. Jedoch sind insbesondere die Meldepflichten nach Art. 49 Absatz 1 Buchstabe g hinsichtlich der Gesamtzahl sowie des Gewichtes sämtlicher aus Altfahrzeugen ausgebauten Teile, Komponenten und Materialien überzogen. Diese Meldepflichten sollten daher gelöscht werden, da andernfalls sowohl die betroffenen Unternehmen als auch die mitgliedstaatlichen Behörden, welche die Daten sammeln und an die Kommission weiterleiten müssen, überlastet würden.

Auch Art. 29 in Verbindung mit Anhang VII, Teil B, Nummer 3, wonach im Rahmen der Befreiung der Altfahrzeuge von Schadstoffen die genaue Uhrzeit der Schadstoffentfrachtung anzugeben ist, stellt eine unnötige Dokumentationspflicht dar. Abschließend sollte auch die Verpflichtung gemäß Anhang IX, in den Verwertungsnachweis Angaben zu der Staatsangehörigkeit des Halters oder Eigentümers aufzunehmen, gestrichen werden. Diese Angabe leistet keinen Beitrag zu der Erreichung des Zieles, den Überblick über im Verkehr befindliche Altfahrzeuge zu verbessern, sondern schafft ebenfalls lediglich einen bürokratischen Mehraufwand.

Demontagepflichten gemäß Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang VII, Teil C
Die zwingenden Demontagepflichten vor dem Schreddern gemäß Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang VII, Teil C mit dem Ziel, eine bestmögliche Wiederverwendung bzw. ein bestmögliches Recycling zu ermöglichen sowie Explosionsgefahren in Schredderanlagen vorzubeugen, sind grundsätzlich als positiv zu bewerten. Im Hinblick auf Verbrennungsmotoren sowie das Getriebe (Anhang VII, Teil C, Nummern 4 und 6) sollten jedoch Behandlungseinrichtungen je nach Beschaffenheit im Einzelfall prüfen können, ob das Schreddern nicht im Ergebnis sinnvoller als eine vorherige Demontage wäre. Daher sollte diesbezüglich keine verpflichtende Demontage vorgesehen werden.

Demgegenüber müssen jedoch zwingend Gastanks sowie Kraftstofftanks in die Liste der zwingend zu demontierenden Komponenten nach Anhang VII, Teil C aufgenommen werden. Eine Aufnahme in Anhang VII, Teil B, Nr. 2 reicht nicht aus, da die dort gelisteten Komponenten im Fahrzeug verbleiben können, wenn sie zum Beispiel durch Post-Schredder-Technologien adäquat verwertet werden können. Der Wortlaut des Anhangs VII, Teil B, Nr. 2 lit. (a), regelt insoweit nicht die verpflichtende Entfernung aller potenziell explosionsgefährlichen Teile und Bauteile, sondern lediglich deren Neutralisierung. Im Falle von Gas- oder Kraftstofftanks wird durch eine solche Neutralisierung jedoch gerade nicht das Kernproblem von Explosionen in Schredderanlagen bei unvollständiger Entleerung gelöst. Derartige Explosionen in Schredderanlagen führen regelmäßig zu hohen Personen- sowie Sachschäden. Aus diesen Gründen sind Gas- und Kraftstofftanks unbedingt in die Liste der obligatorisch zu entfernenden Teile und Bauteile des Anhangs VII, Teil C aufzunehmen.

Abschließend ist im Hinblick auf die obligatorische Entfernung von Teilen und Bauteilen zu fordern, dass neben Windschutz-, Heck- und Seitenscheiben auch Sonnendächer aus Glas in die Liste aufgenommen werden, da in immer mehr Fahrzeugen derartige Sonnendächer zu finden sind und für ein optimales Glasrecycling eine Entfernung dieser Bauteile unabdingbar ist.

Bestimmungen zur Durchsetzung der Verordnung
Auch im Hinblick auf die Bestimmungen zur Durchsetzung der Verordnung (Art. 46 ff.) sind Änderungen erforderlich. Zahlreiche Pflichten der Hersteller – etwa zur Dokumentation und Information (Art. 11 ff.) – werden nicht von den Bußgeldvorschriften erfasst. Konkrete Regeln zur Ahndung von Verstößen gegen die genannten Vorschriften sind jedoch notwendig, um deren Einhaltung zu gewährleisten und einen effektiven Vollzug der Verordnung sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt entscheidend, dass in einer Verordnung, die zahlreiche Pflichten sowohl für Hersteller als auch für Recycler vorsieht, zwingend beide Branchen in gleichem Maße von den Vorschriften zur Durchsetzung und von etwaigen Sanktionen erfasst werden.

Aktueller Stand
Es bleibt abzuwarten, ob und wann sich das neu zusammengesetzte Europäische Parlament wieder diesem Dossier widmen wird. Der Europaabgeordnete Jens Gieseke (EVP) zeigte sich zuversichtlich, im Falle seiner Wiederwahl wieder zum Berichterstatter im Umweltausschuss ernannt zu werden. In jedem Falle ist eine Wiederaufnahme der Ausschussarbeiten zu diesem Dossier frühestens für September dieses Jahres zu erwarten.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Mai 2024

Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung