Critical Raw Materials Act

Europäische Rohstoffverordnung ist am 23. Mai 2024 in Kraft getreten

Nachdem am 12. Dezember 2023 bereits das Plenum des Europäischen Parlaments die in den Trilogverhandlungen erzielte vorläufige politische Einigung zu einer Europäischen Rohstoffverordnung (Critical Raw Materials Act – CRMA) förmlich bestätigt hat, erfolgte am 18. März 2024 auch die förmliche Bestätigung durch den Rat. Nach der hieran anknüpfenden Veröffentlichung des finalen Verordnungstextes im Amtsblatt der Europäischen Union am 3. Mai, ist dieser am 23. Mai 2024 in Kraft getreten.

 

Wesentliche Inhalte
Kritische und strategische Rohstoffe

Ziel des CRMA ist die Gewährleistung einer langfristigen, nachhaltigen und krisenfesten Versorgung der Europäischen Union mit kritischen Rohstoffen. Dies soll nicht zuletzt durch die Verbesserung der Kreislaufführung der Stoffe erreicht werden.

Dabei wird eine Unterteilung der Rohstoffe in „kritisch“ (Art.4 in Verbindung mit Anhang II) und „strategisch“ (Art. 3 in Verbindung mit Anhang I) vorgenommen. Kritische Rohstoffe sind alle nichtenergetischen, nicht landwirtschaftlichen Rohstoffe, die für die EU-Wirtschaft wichtig sind und bei denen ein hohes Versorgungsrisiko besteht. Strategische Rohstoffe sind diejenigen kritischen Rohstoffe, die in den Sektoren erneuerbare Energien, digitale Industrie, Weltraum- und Verteidigung sowie Gesundheit von entscheidender Bedeutung sind. Sie zeichnen sich durch ein besonders hohes prognostiziertes Nachfragewachstum bei gleichzeitiger Schwierigkeit, ihre Erzeugung zu steigern, aus. Dazu zählen beispielsweise Lithium, Kupfer, Kobalt und Nickel.

Strategische Rohstoffe unterliegen einem unverbindlichen Recyclingrichtwert von 25% (Art.5 Abs.1). Das heißt, dass angestrebt wird, dass bis 2030 mindestens 25% des jährlichen Verbrauchs der Union an strategischen Rohstoffen aus dem Recycling dieser Rohstoffe
gedeckt werden kann.

Strategische Projekte und deren Genehmigung
Projekte, die einen bedeutenden Beitrag zur Versorgung der EU mit strategischen Rohstoffen leisten, können von der Europäischen Kommission als strategische Projekte anerkannt werden. Dies ist Grundvoraussetzung dafür, dass für diese Projekte europaweit verkürzte Genehmigungsverfahren gelten. Der im Rahmen der Verordnung neu zu gründende Europäische Ausschuss für kritische Rohstoffe, der sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission zusammensetzt, wird bei der Anerkennung eines Projektes als strategisch beteiligt. Gegenüber der Europäischen Kommission steht diesem Ausschuss jedoch lediglich eine beratende Funktion zu; die abschließende Entscheidung obliegt der Europäischen Kommission.

Nach der Bestätigung der Vollständigkeit eines Antrags auf Anerkennung eines Projektes als strategisch muss die Europäische Kommission innerhalb von 90 Tagen abschließend über den Antrag entscheiden. Ausnahmsweise kann diese Frist um weitere 90 Tage verlängert werden, etwa wenn es sich um Projekte sehr großen Ausmaßes handelt.

Danach kann das nationale Genehmigungsverfahren für strategische Projekte mit einem zugehörigen Antrag bei der zuständigen nationalen Behörde beginnen. Die Genehmigungsverfahren für Projekte, die sich auf das Recycling strategischer Rohstoffe beziehen, sollen maximal bis zu 15 Monate dauern, mit einer ausnahmsweisen Verlängerungsmöglichkeit um 3 Monate. Es besteht auch die Möglichkeit, den Genehmigungsantrag bei der zuständigen nationalen Behörde einzureichen, bevor die Europäische Kommission ein Projekt als strategisch anerkannt hat. In diesem Falle darf das nationale Genehmigungsverfahren eine Maximaldauer von 12 Monaten nicht überschreiten, beginnend mit der Anerkennung eines Projektes als strategisch seitens der Europäischen Kommission. Auch hier ist ausnahmsweise eine Verlängerungsmöglichkeit um 3 Monate möglich.

Nationale Programme zur Förderung der  Kreislaufwirtschaft
Die Mitgliedstaaten werden zudem verpflichtet, nationale Programme und Maßnahmen anzunehmen und durchzuführen, um die Kreislaufführung kritischer Rohstoffe zu fördern. Dazu zählen zum Beispiel die Berücksichtigung des Rezyklatanteils bei den Vergabekriterien im Zusammenhang mit der Ausschreibung öffentlicher Aufträge sowie die Schaffung finanzieller Anreize für die Verwendung kritischer Sekundärrohstoffe.

Finanzierung strategischer Projekte
Der CRMA sieht indes keine verpflichtende Zurverfügungstellung von Unionsmitteln zur Finanzierung strategischer Projekte vor. Es sind lediglich Vorschriften hinsichtlich der Erörterung und Koordinierung der Finanzierung eines strategischen Projektes enthalten. Im Rahmen dieser Erörterung sind private Finanzierungsquellen, eine Unterstützung aus Mitteln der Europäischen Investitionsbank oder anderer internationaler Finanzinstitutionen sowie eine eventuelle Möglichkeit der Beantragung von Fördermitteln aus Förder- und Finanzierungsprogrammen der EU in Erwägung zu ziehen. Konkrete Finanzierungsmittel für strategische Projekte sind hingegen nicht vorgesehen.


Bewertung 
Das Inkrafttreten des Critical Raw Materials Act noch in dieser Legislaturperiode ist erfreulich und ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einem sichereren und unabhängigeren europäischen Rohstoffmarkt. Allerdings hätte der CRMA nach Auffassung des BDE insgesamt inhaltlich deutlicher ambitionierter sein müssen, um notwendige Projekte – etwa betreffend das Recycling strategisch wichtiger Rohstoffe – auf möglichst effektive Art und Weise zu fördern.

In diesem Zusammenhang erweist sich insbesondere der insgesamt sehr komplizierte, aufwendige und lange Genehmigungsprozess als kontraproduktiv. Nicht nur, dass die Genehmigungsverfahren im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag auf Initiative des Rates verlängert wurden. Auch ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen zweistufigen Prozess handelt, bei dem zunächst die Europäische Kommission ein Projekt als strategisch einstufen muss, bevor dieses dann das „beschleunigte“ nationale Genehmigungsverfahren durchlaufen kann. Zwar ist es möglich, das nationale Genehmigungsverfahren zu beginnen, bevor die Europäische Kommission abschließend über den Antrag auf Anerkennung eines Projektes als strategisch entschieden hat. Allerdings riskiert man dann, dass ein Projekt von der Europäischen Kommission letztlich nicht als strategisch eingestuft wird und die einschlägigen Begünstigungen in Form verkürzter Fristen und priorisierter Finanzierung entfallen.

Im Hinblick auf die Finanzierung ist der CRMA ebenfalls deutlich zu kritisieren. Konkrete Finanzierungsmöglichkeiten aus bestehenden oder neu zur Verfügung zu stellenden Unionsmitteln fehlen insgesamt, ebenso wie die Verpflichtung, zukünftig Mittel zur Verfügung zu stellen. Damit mangelt es an finanziellen Anreizen und an der notwendigen Planungs- und Investitionssicherheit für die Industrie, die erforderlich wären, um die Gewinnung und das Recycling von kritischen Rohstoffen innerhalb der EU voranzubringen. Es wird somit umso mehr auf nationale Fördermittel ankommen.

Positiv ist es aus Sicht des BDE dagegen, dass nationale Maßnahmen zur Kreislaufführung kritischer Rohstoffe festzulegen sind, wozu die Berücksichtigung des Rezyklatanteils bei den Vergabekriterien im Zusammenhang mit der Ausschreibung öffentlicher Aufträge gehört. Die stärkere und verbindliche Berücksichtigung von recycelten Stoffen und Produkten bei der öffentlichen Beschaffung ist von jeher eine Forderung des BDE, da sie wichtige Anreize für das Recycling und Investitionen in die dafür erforderliche Infrastruktur schafft. Umso erfreulicher ist es, dass diese Forderung nun im Verordnungstext aufgenommen wurde und für die Mitgliedstaaten verbindlich ist.


Ausblick
Als Verordnung ist der CRMA mit seinem Inkrafttreten am 23. Mai wirksam und in jedem EU-Mitgliedstaat unmittelbar geltendes Recht. Damit besteht zum Beispiel bereits jetzt die Möglichkeit, bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf Anerkennung eines Projektes als strategisch einzureichen. Des Weiteren werden noch delegierte Rechtsakte sowie Durchführungsrechtsakte folgen, welche mehrere Artikel der Verordnung konkretisieren und ausgestalten. Von besonderer Bedeutung wird ein Durchführungsrechtsakt zur Festlegung einer Liste von Produkten und Abfallströmen sein, welche die Europäische Kommission als besonders relevant im Hinblick auf die Verwertung kritischer Rohstoffe erachtet. Dieser Durchführungsrechtsakt ist von der Kommission bis zum 23. Mai 2025 zu veröffentlichen.

Ebenso relevant wird ein delegierter Rechtsakt zur Festlegung der Methode zur Berechnung und Überprüfung des Anteils bestimmter strategischer Rohstoffe, wie etwa Bor, Nickel oder Kobalt, sein, die beispielsweise in Dauerma-gneten ausgewählter Produkte – zum Beispiel Kraftfahrzeuge oder Elektromotoren – enthalten sind. Diesen delegierten Rechtsakt wird die Kommission bis zum 23. Mai 2026 veröffentlichen müssen.

 

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Mai 2024

Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung