Europawahlen 2024: Parteien und Fraktionen

Vorstellung der Positionen der deutschen und österreichischen Parteien

Wie soll unser Europa in Zukunft aussehen? - Die Antwort auf diese Frage ist nur noch wenige Wochen entfernt. Am 09. Juni sind Europawahlen in Deutschland und Österreich – mit ihr könnten sich auch die politischen Schwerpunkte und Visionen der Union verlagern. In den Parteiprogrammen, die allesamt unterschiedliche Prioritäten setzen, spiegelt sich das Zeitgeschehen wider.


Deutschland

CDU/CSU
Allgemeines 

Die Christlich-Demokratische Union und Christlich-Soziale Union (CDU/CSU), die zur Europawahl ein gemeinsames Wahlprogramm vorgelegt haben, legen für die kommende Legislaturperiode einen großen Schwerpunkt auf den Ausbau einer Verteidigungsunion. Gemeinsame Rüstungsprojekte und -beschaffungen und die Bestellung eines EU-Verteidigungskommissars sollen die Union insbesondere im Angesicht des Krieges in Europa nach außen hin sicherer auftreten lassen. Dazu soll auch eine Einbindung der Militärmacht Großbritannien beitragen. Darüber hinaus soll durch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Europol und den nationalen Polizeiorganisationen die Kriminalität grenzüberschreitend effektiver bekämpft werden.

Um starke Bündnisse innerhalb der EU zu schaffen und aufrechtzuerhalten, planen CDU und CSU neben der Förderung der Deutsch-Französischen Freundschaft eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks (Frankreich, Deutsch-land, Polen) mit der neuen polnischen Staatsregierung. Der Transatlantischen Partnerschaft mit den USA soll ebenfalls mehr Bedeutung beigemessen werden. Migration soll „durch Humanität und Ordnung“ begrenzt werden, beispielsweise indem das Konzept der sicheren Drittstaaten konsequent umgesetzt wird und Fluchtursachen bekämpft werden.

In Wirtschaftsangelegenheiten geht es der Union vor allem darum, Wirtschaft, Energie und Klima zusammenzudenken und die Nachhaltigkeitsbestreben der EU „wirtschaftsfreundlicher“ zu machen, beispielsweise durch eine Aufhebung des kürzlich beschlossenen Verbrenner-Verbotes. Des Weiteren sind die verpflichtende Einbindung des EU-Mittelstandsbeauftragten in alle Gesetzgebungsverfahren und das Ausrufen eines Belastungsstopps geplant, um die „Überregulierung“ der Wirtschaft zu beenden.

Kreislaufwirtschaft
Um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, setzt die CDU auf marktbasierte Instrumente:

  • ein ambitionierter Ausbau erneuerbarer Energien in Form einer Energieunion, der sich insbesondere auf den Ausbau von Wasserstoffnetzen konzentriert,
  • eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft durch Schließung von Stoffkreisläufen und langlebigeren Produkten
  • ein europaweites Emissionshandelsystem mit fortschrittlichen CCS (Carbon Capture and Storage)- und CCU (Carbon Capture and Usage)-Technologien sollen zu mehr Nachhaltigkeit der Industrie beitragen.


Im Großen und Ganzen soll der Green Deal zukünftig näher an der Wirtschaft weiter entwickelt werden, beispielsweise indem Investitionen und finanzielle Anreize für Innovationen im Bereich sauberer Technologien geschaffen werden, um Unternehmen zu ermutigen, den Grünen Wandel mit mehr Eigeninitiative und strategischer Souveränität voranzutreiben.

SPD
Allgemeines

Ein Sozialer Green Deal – damit möchte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in der kommenden Legislatur Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit verbinden. Der Ausbau einer Energieunion erneuerbarer Energien soll „absoluten Vorrang“ bekommen und als „Jobmotor“ dienen, der neue Arbeitsplätze schafft und den Zugang zu bezahlbarer, sauberer Energie für alle sichert. Investitionen in Zukunftsindustrien und anderweitig finanzielle Unterstützung sollen der Wirtschaft zum dauerhaften grünen Wandel verhelfen.

Neben dem Ausbau des Energienetzes plant die SPD auch einen Ausbau des Transportnetzes: Dabei stehen vor allem die Bahnstrecken im Fokus, die vermehrt kostengünstiges und nachhaltiges Reisen innerhalb der Europäischen Union ermöglichen sollen.

Eine gemeinsame Europäische Armee und gemeinschaftliche Beschaffungsprojekte sollen die Union nach außen geschlossen und verteidigungsbereit auftreten lassen.

Kreislaufwirtschaft
Die SPD sieht in ihrer Europapolitik auch Agendapunkte mit Bezug auf die Kreislaufwirtschaft vor. So fordert sie beispielsweise die gänzliche Abschaffung von Wegwerfverpackungen und eine vorrangige Nutzung von Mehrweg an Stelle von Einweg. Auch ein Recht auf Reparatur von elektrischen Geräten und Textilien, die noch nicht von der Right to Repair Richtlinie erfasst sind, soll gefestigt werden, um die Vernichtung von Waren zu minimieren. Schrott-Exporte in Drittländer sollen reduziert werden.


Bündnis 90/Die Grünen
Allgemeines

Die Grünen legen den Fokus ihrer Europapolitik auf Nachhaltigkeit: Mit dem Ziel, Europa so schnell wie möglich zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsstandort der Welt auszubauen, sehen sie u.a. zahlreiche Investitionen in Erneuerbare Energien und Wasserstoffnetze vor. Dazu gehört auch die EU-weite Auszahlung eines Klimageldes aus dem Klimasozialfonds, das Menschen mit niedrigem Einkommen beim Umstieg auf saubere Energie unterstützen soll.

Auf der Agenda steht der Aufbau einer Infrastrukturunion, die sowohl diverse Institutionen (z.B. Wind- und Solarparks, Glasfaserleitungen, aber auch Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser) europaweit miteinander verbindet, als auch EU-Bürgern mehr Freizügigkeit verschafft, beispielsweise durch den Ausbau eines nachhaltigen, kostengünstigen Schienennetzes.

Um den Wirtschaftsstandort Europa zu stärken, sehen die Grünen zum einen eine Vertiefung des Binnenmarkts, zum anderen Investitionen in nachhaltige Produktionsabläufe und Schlüsseltechnologien nach US-Amerikanischem Vorbild (Inflation Reduction Act) vor. Eine EU-Fachkräftestrategie, zu der auch die Einführung eines Mindestlohns von 14€ die Stunde gehört, soll Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen und den europäischen Ausbildungsmarkt fördern. Der Mittelstand soll u.a. durch verpflichtende KMU-Tests für alle Gesetzgebungsverfahren gefördert werden.

Kreislaufwirtschaft
Die Grünen setzen sich in ihrem Europawahlprogramm außerdem für mehr Rohstoffsicherheit ein. Förderung von Sekundärrohstoffen durch ambitionierte Wiederverwendungs- und Rezyklateinsatzziele, Urban Mining, Forschungen zur Substitution besonders knapper Rohstoffe und eine nachhaltige Rohstoffaußenpolitik, die auch den Ausbau von neuen Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern umfasst, sollen dabei helfen, die Abhängigkeit vom Rohstofflieferanten China einzudämmen. Europaweite Mehrweg- und Pfandsysteme für Batterien und Verpackungen sollen das Abfallaufkommen reduzieren und dazu beitragen, Plastikmüllexporte in Drittstaaten gänzlich zu stoppen. Die Einführung eines digitalen Gebäudepasses soll zudem die Nutzung ökologischer und recycelter Bauprodukte fördern.


Freie Demokraten - FDP
Allgemeines

Europa für „kluge Köpfe“ attraktiver machen – Diesem Ziel widmet sich das Wahlprogramm der Freien Demokratischen Partei (FDP). Eine gute Berufsausbildung sei Grundvoraussetzung für freiheitliche Selbstverwirklichung und deshalb soll in der kommenden Legislatur vor allem der europäische Bildungsmarkt modernisiert werden. Bildungsfreizügigkeit innerhalb der EU soll als neue Grundfreiheit festgelegt werden: Die Einführung eines digitalen europäischen Studentenausweises sowie eines EU-weiten zentralen online Bewerbungsportals, die Vereinheitlichung der Semester- und Prüfungszeiten und mehr finanzielle Mittel für Erasmus+ Programme sollen Studierenden den Auslandsaufenthalt erleichtern. Auch für Auszubildende, vor allem im Handwerk, sollen mehr Möglichkeiten eines Auslandsaufenthalts geschaffen werden.

Für Fachkräfte soll Europa im Rahmen einer EU-weiten Strategie zur Fachkräftegewinnung attraktiver werden. Diese umfasst neben einer Flexibilisierung der EU-Arbeitszeitrichtlinie und der Einführung neuer Arbeitszeitmodelle wie dem Remote-Work im EU-Ausland auch eine vereinfachte Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen und eine EU-weite Einführung von Englisch als zweite Verwaltungssprache.

Daneben steht für die FDP eine Stärkung des Mittelstandes auf der Agenda. Jedes Gesetzgebungsverfahren soll einem KMU-Test unterzogen werden, um sicherzustellen, dass die neuen Regelungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen umgesetzt werden können.

Ein „Bureaucracy Reduction Act“ soll zum Bürokratieabbau beitragen und die Wirtschaft innerhalb der 4-jährigen Legislaturperiode von mind. 50% der derzeitigen Bürokratielasten befreien. Dies soll auch private Investitionen und Gründungen attraktiver machen.

Kreislaufwirtschaft
Die FDP fordert eine Regulierungspause des Green Deal, die Unternehmen ermöglichen soll, sich an die bisher getroffenen Änderungen anzupassen. Um eine Entlastung zu schaffen, werden „kleinteilige Regulierungen“, wie zuletzt die Ökodesignverordnung, abgelehnt. Die FDP sieht in ihrem Programm eine stärkere Einbindung von mittelständischen Unternehmen in die Recyclingbranche vor, beispielsweise durch finanzielle Anreize, wenn bevorzugt Sekundärrohstoffe genutzt werden oder Unterstützung bei der Diversifikation von Produktionsketten. Anreize und neue Regelungen für eine verstärkte Sortierung von Abfall sind ebenfalls vorgesehen.   


Die Linke
Allgemeines

Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm einen Wandel der Arbeitswelt: Nicht Profit, sondern Menschenrechte und Nachhaltigkeit sollen zukünftig im Vordergrund stehen – Ein Wandel, bei dem die Wirtschaft gezielt mit EU-Strukturmitteln unterstützt werden soll. Die Einführung einer 4-Tage-Woche und ein europaweiter Mindestlohn von 15€ die Stunde sollen auch dabei helfen, Lebensverhältnisse innerhalb der Union anzugleichen. Zu einer Vermögensumverteilung sollen u.a. eine höhere Besteuerung hoher Einkommen und Konzerngewinne, sowie eine Mindeststeuer von 25% für alle Unternehmen beitragen. Asyl soll als Grundrecht ohne Einschränkungen anerkannt werden.

Die Linke sieht zwar grundsätzlichen Reformbedarf für die EU, u.a. in Form einer Stärkung des Parlaments im innereuropäischen politischen Gefüge, lehnt die EU als solche aber nicht ab.

Kreislaufwirtschaft
Die Linke macht sich in ihrem Europawahlprogramm für eine Senkung des Primärrohstoffverbrauchs von 10% bis 2030 stark. Dafür sehen sie eine Stärkung der Recyclingbranche u.a. durch höhere Recycling- und Rezyklateinsatzquoten und mehr Ökodesign für bessere Recycelbarkeit vor. Hersteller sollen im Zuge einer Herstellerverantwortung für die Kosten für Rücknahme, Transport, Wiederaufbereitung und Entsorgung ihrer Produkte verantwortlich gemacht werden. Abgaben auf Einwegverpackungen und ein EU-weites Pfandsystem für Ein- und Mehrweggetränkeflaschen sollen das Abfallaufkommen reduzieren. Eine Entkriminalisierung von Lebensmittelrettung, dem sogenannten Containern, soll zudem dabei helfen, Lebensmittelabfälle zu minimieren. Außerdem fordern die Linken eine Entprivatisierung der Branche: Abfallbehandlung und Abfallentsorgung sollen zukünftig ausschließlich in öffentlicher Hand sein.


Bündnis Sahra Wagenknecht
Allgemeines

Ein „Haus Europa“ als eigenständiger, unabhängiger Akteur auf der Weltbühne ist die Vision, mit der das neue Bündnis Sahra Wagenknecht zur Europawahl antritt. Europa soll eigenständig und unabhängig werden, sowohl in wirtschaftspolitischer als auch in sicherheitspolitischer Weise, mit einer gemeinsamen Friedens- und Sicherheitsordnung, die sich an den Grundsätzen der Diplomatie und Konfliktvermeidung orientiert und so die Voraussetzungen für Abrüstung und Rüstungskontrollvereinbarungen schaffen soll. Waffenexporte aus der EU sollen mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Länderübergreifende Kooperationen und eine „goldene Investitionsregel“, die Investitionen in Zukunftstechnologien aus der Defizitrechnung der europäischen Schuldenbremse ausgliedert, sollen den grünen Wandel fördern und den europäischen Wirtschaftsstandort unabhängig von anderen Weltmächten werden lassen. Eine Erweiterung des EU-Budgets und die Einführung neuer Eigenmittel ist dafür nicht vorgesehen: Die Finanzierung plant das Bündnis mit Steuergeldern, beispielsweise durch die Einführung einer einheitlichen europäischen Unternehmensbesteuerung mit einem Mindeststeuersatz von 25% auf Unternehmensgewinne.

Der Mittelstand soll von einer schärferen Kartellpolitik und einer grundlegenden Reform des europäischen Vergaberechts, die es ermöglichen soll, kommunale Aufträge bevorzugt an regionale Unternehmen geben zu können, profitieren.

Eine nachhaltige Gestaltung des Energiemarktes will das Bündnis u.a. durch den Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft erreichen. Um währenddessen niedrige Energiekosten und Energiesicherheit zu gewährleisten, sollen zunächst Öl- und Gaslieferungen aus Russland wieder aufgenommen werden.

Flucht und Migration sollen durch Ursachenbekämpfung reduziert werden, u.a. mit einer Neuausrichtung der Außen- und Entwicklungspolitik der EU, die bessere Bedingungen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den südlichen Ländern schafft.

Kreislaufwirtschaft
Um die nachhaltige Gestaltung der Wirtschaft voranzutreiben, setzt das Bündnis auf Entscheidungsfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer. Die Einsparung von Treibhausgasen soll „technologieoffen“ gestaltet werden: Umweltfreundliche Forschung und Innovationen in allen Bereichen sollen den Wandel bewegen, nicht etwa Verbote.

Unternehmen der Daseinsvorsorge sollen vollständig zurück in die öffentliche Hand gegeben werden. Dazu zählen Unternehmungen im Bereich Wohnen, aber auch die Wasser- und Energieversorgung sowie grundsätzlich auch die Abfallentsorgung, welche im Wahlprogramm aber nicht ausdrücklich aufgeführt wird.


AfD
Allgemeines

Die EU als „gescheitertes Projekt“ – Die Alternative für Deutschland (AfD) fällt mit ihrem Programm vor allem aufgrund ihrer Ablehnung gegenüber der Europäischen Union auf. Die EU soll sich von einer demokratischen Wirtschaftsunion zu einem lockeren Zusammenschluss, in dem jeder Mitgliedsstaat lediglich seine eigenen Interessen verfolgt, entwickeln, u.a. durch die Abschaffung des EU-Parlaments und die Wiedereinführung nationaler Währungen.

Außerdem fordert die AfD den Aufbau einer „Festung Europa“, die der Einwanderung aus „kulturfremden Regionen“ gegenüberstehen soll. Angenommene Asylbewerber sollen durch „Remigrationsprogramme“ verwiesen werden und die Freizügigkeit von EU-Bürgern innerhalb der EU soll verschärft werden. Auch wird sich gegen eine Vereinheitlichung europäischer Sozialsysteme und Sozialhilfe für in Deutschland lebende EU-Ausländer ausgesprochen.

Eine Annäherung an Russland und eine Aufhebung aller damit verbundenen Wirtschaftssanktionen wird angestrebt.

Kreislaufwirtschaft
Die AfD spricht sich in ihrem Wahlprogramm gegen die europäische Klimapolitik aus und fordert die Abschaffung aller nationalen und europäischen Klimagesetze. Dazu zählen auch alle Maßnahmen des Green Deals und des Fit für 55 Pakets. Konkrete Ziele und Vorhaben für die Kreislaufwirtschaft werden von der AfD indes nicht benannt.


Österreich

Die Volkspartei
Allgemeines

Nicht zuletzt angesichts des Ukraine Krieges, der seit 2 Jahren Europa erschüttert, legt die Österreichische Volkspartei (ÖVP) in der kommenden Legislatur viel Wert auf Sicherheit. So soll die gemeinsame europäische militärische Verteidigung ausgebaut und ein “European Sky Shield” gegen Luftangriffe errichtet werden. Weiteres zentrales Anliegen der ÖVP ist es, europaweit gegen illegale Migration vorzugehen. Die Initiative sieht z.B. umfangreiche Geldmittel für zusätzliches FRONTEX -Personal und den Ausbau einer Infrastruktur zum Schutz der Außengrenzen, grenzüberschreitende Polizeikooperationen gegen Schleppernetzwerke und die Umsetzung des Konzeptes sicherer Drittstaaten, in denen Asylverfahren durchgeführt und abgelehnte Asylbewerber untergebracht werden können, vor. Eine Überarbeitung der EU-Notfall-Klausel, die es Mitgliedstaaten erlaubt, unabhängig von EU-Recht zu handeln, soll die Klausel leichter aktivierbar machen.

Innereuropäisch soll durch eine aktive Terrorbekämpfung mehr Schutz geboten werden. Dazu gehören z.B. eine Stärkung Europols durch mehr Befugnisse, gemeinsame europaweite Ausbildungsstandards für alle nationalen Sicherheitsbehörden, eine rasche Vereinheitlichung der Fahndungsregister und die Erarbeitung einer Cyber-Defense-Strategy gegen Kriminalität und die Vernetzung von Terrorgruppen im Internet.

Auch gegen teils gefährliche Falschinformationen soll im digitalen Umfeld vorgegangen werden, etwa durch Echtheitszertifikate für Fotos und Videos und einer Klarnamenpflicht, die gegen Hass und Hetze helfen soll.

Die Wirtschaft soll von weniger Eingriffen der EU und besseren Konditionen für den Mittelstand und private Investoren profitieren. Durch eine Refokussierung der Union auf Wirtschaftsthemen soll die „Überregulierung“ der Wirtschaft, beispielsweise durch umweltrechtliche Vorgaben, abgebaut werden. Die EU soll sich stattdessen darauf konzentrieren, bestehende Barrieren im Binnenmarkt zwischen den Mitgliedstaaten zu reduzieren.

Der Mittelstand soll u.a. durch vereinfachte und kürzere Genehmigungsverfahren, einen Wettbewerbsfähigkeitscheck aller EU-Verordnungen und Richtlinien durch die Kommission und einer EU-Kapitalmarktunion, die es Unternehmen erleichtert, sich über die Kapitalmärkte zu finanzieren, gestärkt werden. Private Investitionen sollen durch ein gestärktes Schutzsystem für Investoren innerhalb der EU beworben werden.

Kreislaufwirtschaft
In der Nachhaltigkeit legt die ÖVP einen Fokus auf den Ausbau einer sicheren Energieversorgung, u.a. um den europäischen Standort auch für die energieintensive Industrie abzusichern. Dazu gehören eine Diversifikation von Energielieferanten, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des EU-Energiemarktes für stabile und bezahlbare Energiepreise und ein Ausbau erneuerbarer Energien und Leitungsnetze im Rahmen einer europäischen Energieinfrastruktur-Strategie, die auch kürzere Genehmigungsverfahren und attraktivere Investitionsbedingungen schaffen soll.

Rohstoffsicherheit soll z.B. durch eine schnelle und konsequente Umsetzung des Critical Raw Materials Acts, der auch das Recycling kritischer Rohstoffe fördert, geschaffen werden.


SPÖ
Allgemeines

EU-Soforthilfen für Familien, die von Armut betroffen sind, Energiepreise, die zukünftig nicht mehr „Fantasiepreisen“ ähneln, sondern sich an den tatsächlichen Durchschnittskosten ihrer Erzeugung orientieren sollen und ein „soziales Fortschrittprotokoll“, das die EU-Verträge ergänzen und sozialen Grundrechten und Arbeitnehmerabsicherung einen Vorrang vor den vier Grundfreiheiten der EU einräumen soll – damit möchte die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) in der kommenden Legislatur den Weg zu einem bezahlbaren und fairen Europa ebnen.

Die europäische Säule sozialer Rechte, die bereits 2017 in Göteborg proklamiert wurde, soll erweitert und konsequent umgesetzt werden. Dazu gehören Ziele wie die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, eine tarifvertragliche Abdeckung von 80% oder ein Ende der Obdachlosigkeit bis 2030. Eine schnelle Durchsetzung der Lohntransparenzrichtlinie soll z.B. dazu beitragen, die Gender-Pay-Gap zu schließen und eine „Union der Gerechtigkeit“ aufzubauen.

Auch soll die Privatisierung von öffentlichem Hab und Gut gestoppt werden: Unternehmen der “Daseinsvorsorge” sollen europaweit stets zu mindestens 51% in öffentlicher Hand sein, um faire Preise und uneingeschränkten Zugang der Bevölkerung zu garantieren. In Österreich ist dies im Bereich der Stromversorgung bereits der Fall – ein Konzept, das die SPÖ zukünftig auch auf die Wasserwirtschaft ausweiten will.

Der europäische Wirtschafts- und Industriestandort soll durch eine europaweite „Made in Europe“ Strategie, die u.a. die Finanzierung gemeinsamer Projekte oder die Bevorzugung von europäischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb umfasst, gestärkt werden.

Kreislaufwirtschaft
Um den grünen Wandel zu fördern, sehen die österreichischen Sozialdemokraten die Errichtung eines EU-Transformationsfonds nach Vorbild des EU-Ausbaufonds vor, dessen Mittel u.a. für Investitionen in Maßnahmen zur Reduzierung von CO2 oder den Ausbau erneuerbarer Energien genutzt werden sollen. Helfen soll dabei ein neuer Investitionsplan zum nachhaltigen und kreislauffähigen Wandel der Wirtschaft. Auch eine schnelle und konsequente Umsetzung der Right to Repair-Richtlinie in allen Mitgliedstaaten wird angestrebt.

Die Verkehrswende soll auf der einen Seite mit einem Ausbau des Schienennetzes und mehr Nachtzügen, auf der anderen Seite mit einem Verbot privater Flugzeuge auf europäischen Flughäfen sowie einer Kerosinsteuer gefördert werden. Auswirkungen auf die Kreislaufwirtschaft dürften auch die bereits geschilderten Pläne zur (Teil-)Verstaatlichung der im Bereich der “Daseinsvorsorge“ tätigen Unternehmen haben, da die Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung zur “Daseinsvorsorge” gezählt werden.


Die Grünen
Allgemeines

Die Grünen streben in der kommenden Legislatur eine klimafreundliche Gestaltung der Wirtschaft an, die durch Investitionen in die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Transportwege und eine effektive Arbeit am Green Deal erreicht werden soll. Windkraftwerke sollen bis 2030 500 Gigawatt Strom produzieren, Sonnenkraftwerke sogar doppelt so viel und neue intelligente Stromnetze und -speicher sollen den gewonnenen grünen Strom europaweit zu jeder Zeit nutzbar machen, um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu ebnen. Haushalte sollen von EU-Förderungen für den Heizungsumstieg und einer europaweiten Strompreisbremse gegen zu hohe Stromkosten profitieren. Ein Preisdeckel von 10 Cent pro Kilometer für Zugreisen zwischen Hauptstädten soll den Zugverkehr für Private und Geschäftsreisende attraktiver machen.

Als Wirtschaftsstandort soll Europa wieder unabhängiger werden: Ins Ausland verlagerte Produktionsbetriebe sollen zurück nach Europa geholt werden, insbesondere im Bereich strukturell wichtiger Produkte wie Medikamente, Batterien und Mikrochips, bei denen derzeit eine starke Abhängigkeit von China besteht. Im Bereich grüner Zukunftstechnologien (das umfasst beispielsweise die nachhaltige Herstellung von Rotorblättern für Windräder) sehen die Grünen das Potenzial Europas als Weltmarktführer: Ein Investitionsprogramm und ein neuer Beihilferahmen sollen die Industrie bei ihrem Aufstieg unterstützen.

Als Motor des grünen Wandels und Innovationsträger soll der Mittelstand von weniger Bürokratie und einer einheitlichen Anlaufstelle, die Gründer mit Fachwissen und Finanzierung unterstützt, profitieren.

Um sich gegenüber den Unruhen in der Welt einheitlicher positionieren zu können, setzen die Grünen zudem auf eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik der Union auf Grundlage qualifizierter Mehrheitsentscheidungen, im Gegensatz zum derzeit gängigen Einstimmigkeitsprinzips.

Kreislaufwirtschaft
Als Garant einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit soll der Wirtschaft ein „Kreislaufdenken“ zu Grunde gelegt werden. Eine starke Recyclingbranche und ein einheitliches, europaweites Mehrweg- und Pfandsystem sollen eine sichere unabhängige Rohstoff- und Materialversorgung sicherstellen. Drittländer, aus denen nach wie vor Rohstoffe bezogen werden, sollen auch über das Lieferkettengesetz hinaus umfangreiche menschen- und naturschutzrechtliche Vorgaben erfüllen.

Langlebigere, kostengünstig reparierbare Produkte sollen das Abfallaufkommen verringern.


NEOS
Allgemeines

Die Vereinigten Staaten von Europa – Das ist die Vision der NEOS (Das Neue Österreich), die sich damit für ein einheitliches Auftreten der EU einsetzen. Dazu gehören neben einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die u.a. eine gemeinsame europäische Armee sowie eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips  im Bereich Sicherheit und Verteidigung umfasst (stattdessen qualifizierte Mehrheit), auch Reformen des politischen Gefüges der EU.

So sollen die Kommission kleiner und „demokratischer“ und das Parlament stärker und einflussreicher werden. Aktivere Bürgerbeteiligung, beispielsweise durch eine verbesserte Konferenz zur Zukunft Europas, und weniger bürokratische Hürden sollen das politische Geschehen transparenter und bürgernäher gestalten.

Eine Deregulierung des Binnenmarktes durch das „one market, one rule“-Prinzip, das besagt, dass Waren und Dienstleistungen, die in einem Mitgliedstaat genehmigt und zugelassen sind, auch in allen anderen Mitgliedstaaten ohne weitere Genehmigungsverfahren verkauft werden dürfen, und ein neugestaltetes, zukunftsorientierteres EU-Budget sollen den Weg für ein „neues Wirtschaftswunder“ ebnen und die Inflation bekämpfen.

Kreislaufwirtschaft
Klimaneutralität will die NEOS vor allem durch einen klaren, einheitlichen CO2-Preis erreichen, der an Stelle von verschiedenen, nationalen Maßnahmen wie Verboten treten und die Nutzung von CO2-armen Technologien fördern soll. Der Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft soll insbesondere durch die Reduzierung von Einwegkunststoff vorangetrieben werden.

Der Ausbau eines gemeinsamen Energiebinnenmarktes, der zentrale Rahmenbedingungen für Produktion und Transport von Energie schafft und erneuerbare Energien fördert, soll helfen, Abhängigkeiten von einzelnen Energieexporteuren zu reduzieren und eine nachhaltige Energieversorgung für den Industriestandort zu sichern.


FPÖ - Die Soziale Heimatpartei
Allgemeines

Im Mittelpunkt der Politik der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) steht eine Restrukturierung der Europäischen Union. Eine Halbierung von EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Budget, in Verbindung mit weitgreifenden Kompetenzverlagerungen zurück in die Mitgliedstaaten, soll die Europäische Union entmachten und die „Souveränität Österreichs schützen“. Vorhaben, die weiterhin von der Union verfolgt werden dürfen, sollen transparenter durchgeführt werden, etwa durch ein Hausverbot für Lobbyisten im Europäischen Parlament oder weniger priorisierten Zugang großer Unternehmen zu EU-Kommissaren.

Eine „Festung Europa“ und ein „Remigrationspakt“, der u.a. eine gemeinsame Grenzsicherung, die Errichtung von Betreuungszentren ausschließlich außerhalb der Europäischen Union, eine konsequente Abschiebung von (abgelehnten) Asylbewerbern und einen Asylstopp für Personen außerhalb Europas beinhalten soll, soll Einwanderung nach Europa nahezu gänzlich beenden.

Im Ukraine-Konflikt fordert die FPÖ mehr Neutralität der Union: Waffenlieferungen an die Ukraine und EU-Beitrittsverhandlungen sollen eingestellt werden, Sanktionen gegen Russland sollen zum Schutz der Wirtschaft aufgehoben werden.

Kreislaufwirtschaft
In Nachhaltigkeitsangelegenheiten soll die derzeitige „EU-Klimadiktatur“ ein Ende finden. Stattdessen will die FPÖ eine „vernünftige Umweltpolitik“ verfolgen, die u.a. ein Aus für den Green Deal, keine weiteren Klimaverbote und eine Aufhebung des kürzlich beschlossenen Verbrennerverbotes vorsieht. Die Förderung von Atomkraft als grüne Technologie soll gestoppt und stattdessen durch erneuerbare Energien ersetzt werden.

 

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