Europawahlen 2024: Parteien und Fraktionen des Europäischen Parlaments

Vorstellung der Positionen der europäischen Parteien und Fraktionen des Europäischen Parlaments



Brüssel steht vor dem Wandel: Mit der Neubesetzung des Europäischen Parlaments geht eine mögliche Verschiebung der politischen Schwerpunkte einher.

 

Der rasante Aufstieg Chinas zur Weltmacht, die Corona-Pandemie, Krieg in Europa – die vergangenen 4 Jahre waren geprägt von Entwicklungen, die Europa und seine Bürger noch heute auf die Probe stellen.  Das jüngste Eurobarometer (Frühjahr 2024) zeigt: EU-Bürger sehen Armutsbekämpfung (33%), Gesundheit (32%) und Sicherheit und Verteidigung (31%) als notwendige Prioritäten der neuen Legislaturperiode. Die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel verliert im Vergleich zu den Wahlen 2019 an Bedeutung und fällt mit 29% auf den fünften Platz zurück – das zeigt sich auch in den Wahlprogrammen der europäischen Parteien hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft.


Positionen der europäischen Parteien und Fraktionen des Europäischen Parlaments zur Kreislaufwirtschaft

 

Fraktion der europäischen Volkspartei
Die europäische Volkspartei (EVP), die konservativen Parteien wie CDU & CSU sowie die österreichische ÖVP unter sich vereint, stellt die Wirtschaft in den Vordergrund ihrer grünen Politik. Unterstützung und finanzielle Anreize sollen Unternehmen, insbesondere den Mittelstand, zur Forschung und Entwicklung neuer nachhaltiger Technologien anregen, um die Industrie zum wichtigsten Treiber des grünen Wandels zu machen, nicht die Politik. Der Ausbau einer sicheren, nachhaltigen Energie-Union und eine einheitliche European Ressource Strategy sollen dabei einen sicheren, unabhängigen Zugang zu Energie und Rohstoffen garantieren und die Grundlagen für die notwendigen Innovationen sichern. Auch eine Förderung der Kreislaufwirtschaft soll zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Rohstoffen beitragen.

Des weiteren wird eine Stärkung der European Waste Reduction Strategy sowie der European Plastics Strategy, bei der insbesondere die Reduzierung von Mikroplastik im Vordergrund stehen soll, angestrebt.

Fraktion der Grünen
Die Grüne Fraktion des Europäischen Parlaments setzt sich aus den European Greens und der European Free Alliance (EFA) zusammen. Ihr gehören auch die deutsche Partei Bündnis 90/die Grünen und die österreichische Die Grünen – Die Grüne Alternative an. Unter dem Motto „Waste must become a design flaw” wollen sich die Europäischen Grünen in der kommenden Legislaturperiode für den Ausbau einer gänzlich nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bis spätestens 2040 einsetzen. Dabei stehen besonders die Förderung von Ökodesign und des Rechts auf Reparatur im Mittelpunkt: Neben der Einführung eines EU-weiten Marktes für unabhängige Repair- und Refurbish-Anbieter, sollen auch einheitliche technische Standards, wie beispielsweise einheitliche Stecker, zu mehr Nachhaltigkeit und langlebigeren Produkten beitragen.

Fraktion der Sozialisten und Demokraten
Die Fraktion der Sozialisten und Demokraten (S&D) besteht aus der Partei der europäischen Sozialisten (PES), der auch die deutsche SPD und die österreichische SPÖ angehören. Die PES konzentriert sich im Rahmen eines „neuen sozialen Green Deals“ auf europäischer Ebene in erster Linie auf den Ausbau eines erneuerbaren Energiemixes, der langfristig bezahlbare Preise für alle Marktteilnehmer garantiert. Zur Stärkung der Wirtschaft ist ein Investitionsplan für Grüne und Digitale Technologien vorgesehen, der den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit vorantreiben soll.

Fraktion Renew Europe 
Teil der Fraktion Renew Europe (RE) sind vor allem die beiden liberalen Parteien Allianz der Liberalen und Demokraten Europas (ALDE), in der die deutsche FDP sowie die österreichischen NEOS Mitglieder sind, und die Europäische Demokratische Partei (EDP/PDE), zu der die Freien Wähler gehören. Die Renew hat es sich zum Ziel gesetzt, Wirtschaftswachstum und Primärrohstoffverbrauch zu entkoppeln und Wachstum ohne die Nutzung von Primärrohstoffen zu erreichen. Dazu wollen sie zum einen die Kreislaufbranche und ihre Anlagen fördern, zum anderen Anreize für Hersteller schaffen, Produktionsvorgänge nachhaltiger gestalten und überwiegend Sekundärrohstoffe nutzen. Lebensmittel sollen auf ihren Etiketten über ihren Carbon-Footprint aufklären. Das Abfallaufkommen soll durch mehr freiwilliges Ökodesign, ein Verbot zur Zerstörung von Neuwaren, neue Regeln für das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln sowie die Förderung von Möglichkeiten für Essens-Spenden verringert werden. Auch ein EU-weites Pfandsystem für Verpackungen ist vorgesehen.

Fraktion der Linken
Die europäischen Linken fordern in der kommenden Legislatur vor allem ehrgeizigere Klimaziele: Das Treibhausgasemissionsziel des europäischen Klimagesetzes soll von 55% auf 65% weniger Emissionen bis 2030 angehoben werden. Vollständige Klimaneutralität soll nicht erst 2050, sondern bereits 2035 erreicht werden. Eine vollkommene Entprivatisierung der Energie- und Wasserwirtschaft soll den Zugang zu Allgemeingütern für alle Marktteilnehmer sichern und Investitionsmöglichkeit für Gemeinden schaffen. Um den grünen Wandel der Industrie zu fördern, wird eine Änderung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebt: Kredite für Investitionen, die der Reduzierung von CO2 oder der Schaffung neuer, fairer Arbeitsplätze dienen, sollen zu günstigeren Konditionen (0% Finanzierung) ausgegeben werden, Kredite, die voraussichtlich das Gegenteil bezwecken, zu unattraktiveren.

Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer
Die Partei der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), die die gleichnamige Fraktion im Europäischen Parlament bildet, plant in der kommenden Legislatur eine gänzlich neue Herangehensweise an den Green Deal. Im Fokus soll dabei eine Ausrichtung der Klimaziele an kleinen, lokalen Akteuren und ihren Möglichkeiten stehen. Bürger, Landwirte und Unternehmen sollen vor den negativen Folgen der derzeitigen „über-ideologischen“ grünen Politik „geschützt“ werden, beispielsweise durch eine Aufhebung des Verbrenner-Verbots. Der EKR gehört derzeit das Bündnis Deutschland an.

Fraktion Identität und Demokratie
Die Partei Identität und Demokratie (ID), die seit der letzten Europawahl 2019 als direkte Nachfolgerin der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) ihre eigene Fraktion bildet, zeichnet sich in erster Linie durch eine generelle Ablehnung der Europäischen Union und ihrer Vorhaben, dazu zählt auch der Green Deal, aus. Der ID gehörte die Alternative für Deutschland (AfD) an, bis diese am 23.05.2024 als Reaktion auf den Streit um Spitzenkandidat Maximillian Krah von der Fraktion ausgeschlossen wurde. Österreichisches Mitglied der ID ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Konkrete Ziele und Vorhaben für die Kreislaufwirtschaft werden von der ID nicht benannt.

 

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