Abfallverbringungsverordnung

Europäische Kommission verschärft Regeln für E-Schrotte

Die Europäische Kommission veröffentlichte Entwürfe (1) und (2) für delegierte Rechtsakte zur Verbringung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten (EAG). Die Entwürfe dienen der Umsetzung von Änderungen des Basler Übereinkommens in das EU-Recht. In einem Kompromissvorschlag kommt die Kommission der Recyclingbranche entgegen.


Hintergrund
Das Basler Übereinkommen ist ein internationaler Vertrag, der die Verbringung von (gefährlichen) Abfällen zwischen, aus oder in die einzelnen Vertratsstaaten regelt. Das Basler Übereinkommen wurde im Jahre 2022 revidiert. Teil dieser Revision waren Neuregelungen zur Verbringung von Elektro- und Elektronikaltgeräten. Die EU ist Vertragspartner und als solcher verpflichtet, diese Neuregelungen in EU-Recht umzusetzen. Für die Verbringung innerhalb der EU dürfen aber Sonderregeln festgelegt werden. Deshalb sieht die EU-Abfallverbringungsverordnung die Befugnis der Europäischen Kommission vor, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um Änderungen vorzunehmen, die im Basler Übereinkommen vereinbart wurden und für die im Basler Übereinkommen keine Sonderregeln für die Verbringung innerhalb der EU getroffen wurden (Artikel 79).

Durch die Streichung der Codes von grüngelisteten Elektroabfällen sollte ab Anfang 2025 eine Notifizierungspflicht für die Verbringung aller EAG gelten. Dies hätte zur Folge, dass Elektro- und Elektronikaltgeräte auch innerhalb der EU und in OECD-Staaten lediglich unter Beachtung der Notifizierungsvefahren verbracht werden dürften. Für die Verbringung in Nicht-OECD-Staaten bedeutet der Verlust der Listung als grün sogar faktisch ein Ausfuhrverbot.

Aktuelles
Während der öffentlichen Konsultation zu den Entwürfen der delegierten Rechtsakte äußerte der BDE zusammen mit der FEAD und der EERA (European Electronics Recyclers Association) starke Bedenken, dass  es die Geltung der Notifizierungspflicht für Wirtschaftsbeteiligte komplizierter und kostspieliger machen würde, nicht gefährlichen Elektroschrott zum Recycling zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu verbringen, und somit die Bemühungen um den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft auf europäischer Ebene behindern würde (siehe Artikel zum Draghi Report im Europaspiegel Oktober 2024).

Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission in einem Kompromissvorschlag ihre Entwürfe dahingehend angepasst, dass zwar die Verbringung von Elektroschrottt zwischen der EU und Drittländern der Regelung des Basler Übereinkommens und einer Notifizierungspflicht unterliegen würde, ungefährlicher Elektroschrott innerhalb der EU aber erst ab 2027 dem Notifizierungsverfahren unterliegen soll.


Wesentliche Inhalte
Konkret bedeudet dies, dass ab dem 1. Januar 2025 gefährlicher Elektroschrott für alle Verbringungen unter dem Eintrag A1181 eingestuft wird. Die derzeitigen EU-Vorschriften für die Verbringung von nicht gefährlichem Elektroschrott unter den Einträgen GC010 und GC020 würden bis zum 1. Januar 2027 beibehalten. Ab dem 1. Januar 2027 wäre das Basler Übereinkommen vollständig auf die Verbringung von Elektroschrott innerhalb der EU anzuwenden.

Die Entscheidung für den 1. Januar 2027 hängt damit zusammen, dass zu diesem Zeitpunkt das in Artikel 27 der Abfallverbringungsverordnung vorgesehene digitale System für die Verbringung von Abfällen voll funktionsfähig sein soll. Da dieses dazu beitragen soll, den Aufwand für die Wirtschaftsbeteiligten bei der Notifizierung der Verbringung von Elektroschott innerhalb der EU zu begrenzen, geht die Europäische Kommission davon aus, dass dann keine Beeinträchtigung der innergemeinschaftlichen Verbringungen mehr vorliegen, auch wenn die Verbringungen zu notifizieren sind. Darüber hinaus wird die Kommission in den nächsten zwei Jahren den betroffenen Akteuren der Entsorgungswirtschaft die Möglichkeit geben, durch entsprechendes Datenmaterial nachzuweisen, dass bestimmte nicht gefährliche Elektroabfallströme, die derzeit auf der grünen Liste stehen, auch nach 2027 in der EU auf der grünen Liste bleiben könnten. Laut der Kommission wäre hierfür nachzuweisen, dass die Anwendung der Infomationspflichten bei der Verbringung von Abfällen auf der Grünen Liste im Vergleich zur Anwendung des Notifizierungsverfahrens keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt hätte und dass die Anwendung des Notifzierungsverfahrens auf diese Ströme die Verwertung von Sekundärmaterialien in der EU ernsthaft behindern würde und daher nicht die beste Art wäre, eine umweltgerechte Bewirtschaftung zu erreichen. Unter Berücksichtigung dieser Beiträge könnte die Kommission vor 2027 einen delegierten Rechtsakt erlassen, der bestimmte nicht gefährliche Elektroschrotte für Verbringungen innerhalb der EU nach 2027 vom Notifizierungsverfahren ausnimmt.


Bewertung
Der EU-Binnenmarkt ist für die Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung. Elektro- und Elektronikschrott ist ein komplexer Abfallstrom, der in hochspezialisierten Anlagen behandelt wird, die erhebliche Investitionen erfordern und über eine gewisse Größe unn Kapazität verfügen müssen, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Daher sind nicht in allen EU-Ländern geeignete Verfahren für die Rückgewinnung dieser Materialien entwickelt worden und nicht überall entsprechende Anlagen vorhanden. Auch auf OECD-Ebene gibt es nur in wenigen Ländern entsprechende Akteure:  in Europa zum Beispiel in Deutschland, Schweden und Belgien, außerhalb Europas in Südkorea, Japan und in Kanada. Die Verbringung von Elektro- und Elektronikschrott ist somit notwendig, um diese Abfälle einer hochwertigen Verwertung und insbesondere dem Recycling zuführen zu können. Anderenfalls bliebe nur die thermische Verwertung. Angeregt durch die EU-Politik wird erwartet, dass die Verwertung kritischer Rohstoffe in den kommenden Jahren zunimmt und damit auch die benötigten Transporte. Erleichterte Verbringungen innerhalb der EU würden das Recycling innerhalb der EU stärken. Der Binnenmarkt ist eine der größten Errungenschaften der EU. Das Ziel des Binnenmarktes ist es, den freien Verkehr von Menschen, Dienstleistungen, Waren und Kapital zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang stehen Beschränkungen der Verbringung von verwertbaren Abfällen und insbesondere von Elektroschrott sowohl den Zielen des Binnenmarktes als auch dem zentralen Ziel des Grünen Deals der EU, dem Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, entgegen. Weitere Bestrebungen in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft und die Umweltauswirkungen der wachsenden Nachfrage nach Elektrogeräten in Europa sollten ebenfalls berücksichtigt werden, wenn es um die zusätzlichen Belastungen und Kosten geht, die mit der Verbringung von verwertbaren Abfällen verbunden sind.

In Anbetracht der hohen Umweltschutzstandards und der Umweltkontrollen für die Verbringung, Annahme, Behandlung und Verwertung von Elektroschrott innerhalb Europas (wie z. B. in der WEEE-Richtlinie und der Batterieverordnung festgelegt) ist die Wahrscheinlichkeit einer Verschmutzung oder anderer Umweltschäden auf dem Weg von unbehandeltem Elektroschrott zwischen den Mitgliedstaaten gering.

 

Zeitplan
Sofern Rat und Europäisches Parlament keinen Einspruch einlegen, wovon nicht auszugehen ist, könnte die Veröffentlichung im Amtsblatt noch Ende dieses Jahres erfolgen.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Oktober 2024

Vera Greb

Europareferentin für Abfall- und Umweltrecht