Hintergrund und wesentlicher Inhalt
Die Europäische Kommission hatte die Bewertung der Nitratrichtlinie in ihrem Arbeitsprogramm für 2024 angekündigt. Die Nitratrichtlinie steht in engem Zusammenhang zu der Kommunalabwasserrichtlinie und zielt wie diese darauf ab, die Qualität der EU-Gewässer zu verbessern. Die Verschmutzung des Wassers durch Nährstoffe stellt ein EU-weites Problem dar.
Im Rahmen der Nitratrichtlinie sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Gewässer, die durch Nitrate verschmutzt sind, sind ebenso wie eutrophierte Gewässer – d.h. Gewässer, die derart mit Nährstoffen angereichert sind, dass es zu einem übermäßigen Algenwachstum kommt und dadurch das Gleichgewicht des aquatischen Ökosystems1 beeinträchtigt wird – zunächst zu identifizieren. Darüber hinaus sind Gebiete, die besonders anfällig für eine Nitratverschmutzung sind, auszuweisen, sowie Regeln für eine gute landwirtschaftliche Praxis auszuarbeiten.
Eine entscheidende Pflicht der Mitgliedstaaten besteht des Weiteren darin, nach der Ausweisung bestimmter Gebiete als gefährdet für diese Gebiete sogenannte Aktionsprogramme festzulegen. Diese Aktionsprogramme können sich entweder auf alle gefährdeten Gebiete innerhalb eines Mitgliedstaates erstrecken oder es können verschiedene Programme für verschiedene gefährdete Gebiete oder Teilgebiete festgelegt werden – je nachdem, was der betroffene Mitgliedstaat für angebracht hält.
Die Nitratrichtlinie sieht in diesem Zusammenhang weitere verpflichtende Maßnahmen vor, welche die Mitgliedstaaten in ihren Aktionsprogrammen festlegen müssen. Zu diesen verbindlichen Maßnahmen gehört zunächst die Bestimmung von Zeiträumen, in denen das Ausbringen bestimmter Arten von Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Flächen verboten ist. Von großer Bedeutung sind daneben Vorschriften zur Begrenzung des Ausbringens von Düngemitteln auf landwirtschaftliche Flächen entsprechend den Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft, die ebenfalls in die Aktionsprogramme aufzunehmen sind. Hierbei sind vor allem die besonderen Merkmale des betroffenen gefährdeten Gebietes, wie dessen Bodenbeschaffenheit, die Bodenart und Bodenneigung sowie die klimatischen Verhältnisse, Niederschläge und Bewässerung zu berücksichtigen.
Insgesamt ist die Nitratrichtlinie Teil der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, die das Ziel verfolgt, geschädigte Ökosysteme in der EU bis 2030 durch eine Reihe konkreter Verpflichtungen und Maßnahmen wiederherzustellen, etwa dadurch, dass der Einsatz und die Risiken von Pestiziden um 50% bis 2030 verringert werden.
Vor diesem Hintergrund bewertet die Europäische Kommission die Umsetzung der Nitratrichtline in den EU-Mitgliedstaaten auf Basis mehrerer Stakeholder-Meetings, an denen sich der BDE über die FEAD beteiligt. Auf dieser Grundlage wird sie einschätzen, ob die nach der aktuellen Rechtslage vorgesehen Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Gewässerverunreinigungen ausreichend sind oder ob eine Revision der Richtlinie erforderlich erscheint.
Übergeordnetes Ziel ist dabei – im Einklang mit den Zielen des EU Green Deal – die Erreichung eines guten ökologischen Wasserzustandes. Der ökologische Zustand wird durch die Wasserqualität und die Verschlechterung der Lebensräume beeinflusst und dient als Indikator für den Gesamtzustand der Wasserkörper2. Die Hauptbelastungen für Oberflächengewässer sind dabei unmittelbare Verschmutzungen aus sogenannten „punktuellen“ Quellen (z. B. Abwasser) sowie Verschmutzungen aus weit verbreiteten Quellen, z. B. durch Nährstoffe und Pestizide aus landwirtschaftlichen Aktivitäten sowie durch Schadstoffe, die von der Industrie in die Luft abgegeben werden und dann in die Böden und ins Meer zurückgelangen („diffuse Verschmutzung“)3.
Für den BDE ist das Thema der Gewässerverschmutzung zunächst im Hinblick der punktuellen Verschmutzungsquellen in Form von Abwasser von Belang, dies jedoch allen voran im Rahmen der Kommunalabwasserrichtlinie. Der Verband betont darüber hinaus – nicht zuletzt auch in Bezug auf die Nitratrichtinie – die große Bedeutung und die zentrale Rolle organischer Düngemittel bei der Wiederherstellung gesunder Bodenzustände, die ihrerseits dazu beitragen, Nährstoffverluste und Nitrateinträge in Gewässer zu vermeiden und so die Gewässerqualität zu verbessern.
Bewertung
Der BDE betrachtet die Nitratrichtlinie als ein notwendiges grundlegendes Instrument zur Erreichung wichtiger EU-Umweltziele, die sich in erster Linie auf einen guten ökologischen Zustand aller Gewässer und Meeresgewässer konzentrieren, aber auch auf eine bessere Berücksichtigung der Bodenfruchtbarkeit und der Humusbildung für eine bessere Widerstandsfähigkeit landwirtschaftlicher Böden. Die EU-Nitratrichtlinie gibt die allgemeine Struktur und die Kerninstrumente vor, die sich mit Aktionsprogrammen, Maßnahmen und der Überwachung und Berichterstattung in Bezug auf potenzielle Nitratverschmutzungen aus landwirtschaftlichen Quellen befassen.
Beim ersten Stakeholder-Workshop, bei dem die FEAD als europäischer Dachverband der privaten Kreislaufwirtschaft anwesend war und in dessen Rahmen sich auch der BDE mit Input beteiligt hat, war man sich einig, dass man momentan noch weit davon entfernt sei, die Ziele der Richtlinie zu erreichen, weil es an einer konsequenten Umsetzung und einem effektiven Vollzug mangele. Die Situation in Bezug auf die Wasserverschmutzung durch Nitrate habe sich in den letzten zwei Jahrzehnten nicht wesentlich verbessert, obwohl gerade dies das Ziel der Richtlinie sei.
Insgesamt fiel die Bewertung der Richtlinie seitens der Stakeholder jedoch nicht negativ aus. Vielmehr lautete deren klare Botschaft, dass keine neue Richtlinie und auch keine neue Verordnung in diesem Bereich erforderlich seien, sondern die Richtlinie allen voran konsequenter umgesetzt werden müsse und lediglich punktuell revidiert werden sollte – eine Einschätzung, die der BDE teilt.
Hinsichtlich der Zielsetzung der Richtlinie waren sich alle Stakeholder einig, dass die Vermeidung und Verminderung der Gewässerverschmutzung als Kernziele beibehalten werden müssten und dass eine klare Abgrenzung zum Anwendungsbereich anderer EU-Rechtsakte aus Gründen der Rechtssicherheit dringend erforderlich sei. Darüber hinaus wurde seitens der FEAD zutreffend hinzugefügt, dass die Richtlinie zwingend die vielen positiven Aspekte berücksichtigen müsse, die mit dem Einsatz von organischen Düngemitteln verbunden sind, die recycelte Nährstoffe enthalten – wie z. B. Kompost. Zu diesen Vorteilen gehören nicht zuletzt die langsame und langanhaltende Düngewirkung, die Humusbildung, die verbesserte Kohlenstoffbindung, die Vermeidung von Bodenversalzung sowie die geringere Konzentration von Reinnährstoffen4. Auf diese Vorteile wird auch in den nächsten Treffen der Stakeholder ausdrücklich hingewiesen werden müssen und insdesondere auch darauf, dass diese Vorteile im Falle einer Überarbeitung der Richtlinie zwingend Eingang in den Richtlinientext finden müssen, wenn es darum, geht, einen gesunden Bodenzustand herzustellen.
Ausblick
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Europäische Kommission für eine Überarbeitung der Nitratrichtlinie entscheiden wird. Bis dahin sind noch weitere Treffen der Stakeholder vorgesehen, damit sich die Europäische Kommission einen umfassenden Überblick über den EU-weiten Umsetzungsstand verschaffen kann. Das nächste Treffen der Stakeholder – an dem auch die FEAD wieder teilnehmen wird – findet am 4. Oktober statt. Bei diesem Austausch wird es unter anderem um die Kosten der durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachten Gewässerverunreinigungen für die Gesellschaft gehen. Der BDE wird sich auch diesbezüglich mit Input einbringen. Die Veröffentlichung eines Abschlussberichts der Europäischen Kommission ist für die erste Hälfte des Jahres 2025 geplant.