Hintergrund
Am 6. Februar 2024 veröffentlichte die Europäische Kommission ihr Klimaziel für 2040: eine EU-weite Reduktion der Treibhausgasemissionen um 90% im Vergleich zu 1990. Dieses ambitionierte Ziel, das nicht allein durch eine CO2-Vermeidung erreicht werden kann, wurde anschließend um die Industrial Carbon Management Strategy ergänzt, die den Markt und die Rahmenbedingungen für die CO2-Entnahme im industriellen Maßstab schaffen soll.
Wesentlicher Inhalt
Das strategische Ziel der EU Carbon Management Strategy besteht darin, durch den Ausbau von CO2-Speicherkapazitäten und der dazugehörigen Transportinfrastruktur aus Pipelines, Schiffen, Zügen und Lastkraftwagen, bis 2040 ca. 280 Millionen Tonnen CO2 aufzufangen. In der Strategie kündigt die Europäische Kommission neben dem Ausbau der Infrastruktur auch einen Rechtsrahmen sowie finanzielle Unterstützung zur Entwicklung eines europäischen CO2-Binnenmarkts für die nächste Legislaturperiode an.
Diese Schritte erachtet die Kommission als notwendig, da die Klimaneutralität nicht allein durch Emissionsreduktionen erreicht werden kann. Es gibt industrielle Prozesse, die unentbehrlich sind und bei denen ein CO2-Ausstoß nicht verhindert werden kann. Um trotzdem klimaneutral zu werden, muss also das freigesetzte CO2 von industriellen Prozessen oder aus der Atmosphäre eingefangen werden. Technologien, mit denen CO2 aufgefangen und unterirdisch gespeichert (CCS) oder als Ressource genutzt werden kann (CCU) existieren bereits, müssen aber nun in großem Umfang in der EU angesiedelt werden.
Da die fehlende EU-weite CO2-Transportinfrastruktur die Entwicklung des Sektors gegenwärtig am meisten behindert, will die Europäische Kommission an dieser Stelle ansetzen und den Ausbau vorantreiben. Ab 2024 soll es daher einen EU-Mechanismus zur Planung der EU-weiten Infrastruktur mit den Mitgliedsstaaten und dem CCUS-Forum, einem Stakeholderaustausch, der die aktuellen Entwicklungen bei CCS und CCU reflektiert, geben. Darüber hinaus wird die Europäische Kommission in Kooperation mit der Europäischen Umweltagentur einen Atlas für potenzielle CO2-Speicherplätze erstellen, der es Investoren erleichtern soll, CCS-Projekte in Angriff zu nehmen.
Da dieser Infrastrukturausbau nicht alle potenziellen Marktteilnehmer direkt anbinden kann, sollen kleinere Betriebe und Anlagen gesondert gefördert werden. Zusätzlich soll auch eine „Aggregationsplattform“ geschaffen werden, um die B2B-Kontakte zwischen Anbietern und Abnehmern zu erleichtern. Dies soll insbesondere Unternehmen helfen, die wettbewerbliche Nachteile haben, beispielsweise aufgrund ihres geringen CO2-Ausstoßes.
Die strategische Planung des Infrastrukturausbaus soll durch ein umfangreiches Gesetzespaket in der nächsten Legislaturperiode ergänzt werden. Darin will die Europäische Kommission, im Einklang mit bestehenden Regeln wie dem EU Emissionshandelssystems (siehe Bericht EU ETS) und der CCS-Richtlinie (siehe Europaspiegel Juni 2023), rechtliche Klarheit für den Markt schaffen. Detaillierte Regelungen sollen beispielsweise für die technische Harmonisierung innerhalb der EU sowie für den Infrastrukturzugang für Dritte und bezüglich der Regulierungsbehörden erlassen werden.
Für das ambitionierte Unterfangen werden neben der strategischen Planung und einem guten Rechtsrahmen auch erhebliche finanzielle Mittel erforderlich sein. Die Europäische Kommission schätzt, dass ca. 12,2 Milliarden EUR bis 2030 und ca. 16 Milliarden EUR bis 2040 allein in die CO2-Transportinfrastruktur investiert werden müssen. Diese Gelder sollen unter anderem durch bereits existierende Förderprogramme, wie beispielsweise den EU ETS Innovation Fund, die Connecting Europe Facility (CEF) oder die Important Projects of Common European Interest (IPCEIs), in den Markt fließen. Darüber hinaus hat auch die Europäische Investitionsbank CCS- und CCU-Technologien in das Green Deal-Förderprogramm mitaufgenommen.
Bewertung
Der BDE begrüßt die Strategie der Europäischen Kommission, die ein dringend notwendiges Gesetzespaket ankündigt, das für die Erreichung der Klimaziele gebraucht wird. Da die Technologien zur CO2-Entnahme noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen, wenn es um die industrielle Anwendung geht, werden die ehrgeizigen Klimaziele nur durch erhebliche Investitionen und strategische Planung erreicht werden können. Der BDE schätzt daher die Bemühungen der Europäischen Kommission frühzeitig einen Rechtsrahmen, der bestehende Regeln integriert, zu erlassen.
Wenn auch die Voraussicht der Europäischen Kommission positiv ist, ist es nicht zu übersehen, dass zusätzliche finanzielle Mittel von der öffentlichen Hand nur in begrenzter Form vorgeschlagen werden. Ohne großzügige und zusätzliche öffentliche Investitionen wird der Sektor nicht in dem Tempo entwickelt werden können, wie von der Europäischen Kommission angestrebt wird.
Darüber hinaus steht der BDE der Fokussierung der Strategie kritisch gegenüber. Der Großteil des Kohlenstoffdioxids soll laut Strategie künftig durch CCS-Technologien gespeichert und nicht durch CCU einer Kreislaufwirtschaft zugeführt werden. Da die Kreislaufwirtschaft ein zentraler Bestandteil auf dem Weg zu Klimaneutralität ist, ist es falsch an dieser Stelle vorrangig eine Einlagerung anzustreben und nicht die Wiederverwendung. Gerade in diesem sich entwickelnden Sektor besteht die Möglichkeit, industrielle Prozesse, die Kohlenstoff benötigen, durch wiederverwendetes CO2 klimaneutral zu machen.
Zeitplan
CO2-Gesetzespaket: in der kommenden Legislaturperiode (2024-2029)