Revision der Abfallrahmenrichtlinie

Positionierung im Rat zum Kommissionsvorschlag fast abgeschlossen

Es wird erwartet, dass der Rat der Mitgliedstaaten im Juni 2024 seine Allgemeine Ausrichtung zur Revision der Abfallrahmenrichtlinie in Bezug auf Lebensmittel- und Textilabfälle vorlegen wird.

 

Hintergrund
Der Vorschlag für eine partielle Revision der Abfallrahmenrichtlinie wurde im Sommer vergangenen Jahres von der Europäischen Kommission vorgelegt. Er zielt darauf ab, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und eine erweiterte Herstellerverantwortung für Textilabfälle einzuführen (siehe Europaspiegel 10/2023. Die Anpassung der Richtlinie wurde von den EU-Organen intensiv diskutiert und das Europäische Parlament hat seine Verhandlungsposition bereits im März 2024 finalisiert (siehe Europaspiegel 02/2024). Der Rat der Mitgliedstaaten lotet derzeit seine Position aus, die noch im Juni 2024 erwartet wird. Im Anschluss daran können die Trilogverhandlungen aufgenommen werden, die aber auf Grund der Europawahlen Anfang Juni 2024 voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte anlaufen werden.

Aktuelle Entwicklungen
Verhandlungen im Rat zu Textilien

Im Gegensatz zum Europäischen Parlament ist die Positionsfindung der Mitgliedstaaten derzeit noch nicht abgeschlossen. Die ratsinternen Verhandlungen sind allerdings so weit fortgeschritten, dass sie schon Positionen zu einigen Themen erahnen lassen.

Im Unterschied zum Kommissionsvorschlag tendiert der Rat dazu, den Geltungsbereich der erweiterten Herstellerverantwortung für Textilien auszuweiten. Die Europäische Kommission schlug vor, Kleinstunternehmen – d.h. Unternehmen, die einen Jahresumsatz von maximal 2 Millionen Euro und höchstens 10 Mitarbeiter haben – von den Herstellerpflichten zu befreien. Im Gegensatz dazu sprachen sich die Mitgliedstaaten mehrheitlich dafür aus, alle Unternehmen für die Entsorgung und das Recycling ihrer Produkte in die Verantwortung zu nehmen. Nach Ansicht des Rats soll die Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung durch die Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung (Producer Responsibility Organisations – PROs) nicht weiter eingeschränkt werden.

In Bezug auf Sozialunternehmen positioniert sich der Rat ähnlich dem Kommissionsvorschlag und der Parlamentsposition. Sozialunternehmen sollen bei der Abfallbewirtschaftung Sonderregeln zugestanden werden, die sie beispielsweise davon befreien, von ihnen gesammelte Textilabfälle an die von den PROs-beauftragten Entsorgungsunternehmen übergeben müssen. Zusätzlich diskutiert der Rat derzeit, eine Definition für Sozialunternehmen in die Richtlinie mit aufzunehmen. Der Kommissionsvorschlag sieht keine Definition vor, obwohl es keine rechtsverbindliche Definition von Sozialunternehmen auf EU-Ebene gibt. Auch das Europäische Parlament hat in seiner Position zum Kommissionsvorschlag die Aufnahme einer Definition von Sozialunternehmen in die Abfallrahmenrichtlinie vorgeschlagen. Der im Rat diskutierte Wortlaut ist nahezu deckungsgleich mit dem Vorschlag des Europäischen Parlaments, wobei dieser wiederum auf einer Empfehlung des Rates (14113/23) vom November 2023 beruht. Die von Parlament und Rat vorgeschlagene Definition lautet:
 

  • “(8b) ‚Sozialunternehmen‘ [ist] eine Einrichtung privaten Rechts, die auf dem Markt durch die Herstellung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen unternehmerisch und im Einklang mit den Grundsätzen und Merkmalen der Sozialwirtschaft tätig ist, das heißt, dass sie mit ihrer Geschäftstätigkeit soziale oder ökologische Ziele verfolgt, wobei Sozialunternehmen eine Vielzahl von Rechtsformen aufweisen können;”

 

Eine Ausweitung der Revision auf weitere Produktgruppen und weitere Aspekte der Abfallbewirtschaftung wie ursprünglich von der Ausschussberichterstatterin Anna Zalewska (EKR, Polen) gefordert (siehe Europaspiegel 10/2023), wird im Rat nicht erwogen.

Verhandlungen im Rat zu Lebensmittelabfällen
In Bezug auf Lebensmittelabfälle gibt es nur kleine Änderungsvorschläge im Rat, der Kommissionsvorschlag wird vorwiegend mitgetragen (siehe Europaspiegel 10/2023). Während die Reduktionsquoten bei der Lebensmittelverschwendung (10% in der Herstellung und Verarbeitung und 30% beim Pro-Kopf-Aufkommen im Vergleich zum Jahr 2020) identisch sind, überlegen die Ratsmitglieder jedoch eine Änderung des Vergleichsjahrs, um die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auszugleichen. Allerdings gibt es hierfür derzeit keine Mehrheit.


Bewertung
Textilien

Positiv bewertet der BDE die Position der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Geltungsbereichs der erweiterten Herstellerverantwortung. Sie setzt ein wichtiges Signal und bestätigt einmal mehr, dass alle Unternehmen dem Verursacherprinzip unterliegen sollten, unabhängig von ihrer Größe. Außerdem wird durch die Einbeziehung auch der kleinen Unternehmen vermieden, dass die Kosten für die Entsorgung der von diesen in Verkehr gebrachten Textilien von den anderen Marktteilnehmern zu tragen sind – immerhin haben Kleinstunternehmen einen Anteil von ca. 12 % am Textilmarkt in der EU (Quelle: Europäische Kommission, S.14). Somit wird die vollumfängliche Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in allen Teilen des Textilmarkts gefördert.

Die Ablehnung von EU-Vorschriften für die nationale Umsetzung von Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung ist ebenfalls zu begrüßen. Zwar spricht sich der BDE grundsätzlich für eine Harmonisierung der abfallrechtlichen Vorschriften in der EU aus, um ein Level Playing Field zu schaffen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die nationalen Systeme unterscheiden sich EU-weit jedoch deutlich voneinander – in ihrer Organisation, in beteiligten Unternehmen/Organisationen, in ihren Funktionsweisen –, so dass einheitliche Regelungen den unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten nicht gerecht und zu rechtlichen Problemen führen würden.

Im Gegensatz dazu stehen die geplanten Ausnahmen für und die Definition von Sozialunternehmen nicht im Einklang mit der BDE-Position. Die vom Rat geforderten Ausnahmen für Sozialunternehmen sind identisch mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission. Sie sind aus Sicht des BDE abzulehnen, da sie es zukünftig Unternehmen ermöglichen könnten, die strengen Auflagen, denen Abfallbewirtschaftern bei der Abfallbehandlung unterliegen, zu umgehen. Das Bestreben des Rates, eine Definition für „Sozialunternehmen“ festzulegen, ist zwar grundsätzlich im Sinne der Rechtssicherheit begrüßenswert. Allerdings lässt der vorgeschlagene Wortlaut eine Vielzahl von Schlupflöchern zu, durch die Unternehmen sich als „Sozialunternehmen“ deklarieren und so den für alle übrigen Unternehmen geltenden strengeren Regeln entgehen könnten. Infolgedessen spricht sich der BDE konsequent gegen jegliche Ausnahmen aus und forderte eine klare und enge Definition für Sozialunternehmen.

Lebensmittel
Der BDE unterstützt das Ziel der Reduktionsquoten, da die Vermeidung von Abfällen nach der Abfallhierarchie noch vor dem Recycling oder der Verwertung steht. Da Teile der Richtlinienänderungen erst durch nachfolgende delegierte Rechtsakte konkretisiert werden, bleiben einige wichtige Punkte unklar. Ein Beispiel hierfür ist die fehlende Unterscheidung zwischen Lebensmittelverschwendung und Lebensmittelabfällen, was besonders bei der Erreichung der Reduktionsziele einen erheblichen Unterschied ausmachen wird.

 

Zeitplan
Parlamentsposition: bereits festgelegt; das neue Europäische Parlament muss lediglich einen neuen Verhandlungsführer/Berichterstatter für das Dossier festlegen, bevor die Trilogverhandlungen beginnen können
• Allgemeine Ausrichtung des Rats: voraussichtlich im Juni 2024
• Trilogverhandlungen: voraussichtlich 2. Halbjahr 2024/1. Halbjahr 2025
• Umsetzung in nationales Recht: 18 oder 12 Monate (Forderung des Europäischen Parlaments) nach Inkrafttreten der Richtlinie
• Verpflichtende Getrenntsammlung von Textilien: ab 01. Januar 2025

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Mai 2024

Marlena Mazura

Europareferentin für Abfall-, Umwelt- und Energiepolitik