EU-Strommarktdesigns

Europäisches Parlament bestätigt formell die politische Einigung über die Reform des EU-Strommarktdesigns

DerRat der EU hat am 21. Mai die vorläufige politische Einigung über den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine EU-Verordnung zur Verbesserung des europäischen Strommarktdesigns bestätigt. Das Plenum des Europäischen Parlaments hatte die politische Einigungbereits am 11. April formell bestätigt. Die überarbeiteten Rechtsakte werden nunmehr in den kommenden Wochen im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung werden sie in Kraft treten.

 

Hintergrund und Zusammenfassung
Bei den im Rahmen dieser Reform des Strommarktdesigns überarbeiteten Rechtsakten handelt es sich um die Elektrizitätsmarktverordnung, die Verordnung (EU) 2019/942 zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), die Strommarktrichtlinie 2019/944 und die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED. Die Reform verfolgt das Ziel, Stromverbraucher stärker vor stark schwankenden Preisen zu schützen. Dadurch soll der Strommarkt insgesamt stabilisiert werden, damit seine Funktionsfähigkeit auch im Falle einer Energiekrise gewährleistet ist.

Im Zuge der formellen Bestätigung haben sich keine inhaltlichen Änderungen an der im Januar erzielten vorläufigen politischen Einigung ergeben (siehe Europaspiegel, 02/2024). Es bleibt bei dem Grundsatz der öffentlichen Finanzierung der Energieerzeugung durch direkte Preisstützungssysteme mittels zweiseitiger Differenzverträge (Contracts for Difference – CfDs) oder gleichwertiger Regelungen mit denselben Wirkungen. Bei derartigen Verträgen zwischen Staat und Stromerzeuger werden ein Höchst-sowie ein Mindestpreis vereinbart. Wenn der Marktpreis für Strom sehr stark fällt, zahlt der Staat dem jeweiligen Unternehmen den Differenzbetrag zwischen dem Marktpreis und dem vereinbarten Mindestpreis. Wenn hingegen der Marktpreis über dem vereinbarten Höchstpreis für Strom liegt, muss umgekehrt der Stromerzeuger dem Staat den Differenzbetrag erstatten.

Bei den Arten der Energieerzeugung, die durch diese zweiseitigen Differenzverträge gefördert werden können, handelt es sich um die Erzeugung von Strom aus Windenergie, Solarenergie, geothermischer Energie, Wasserkraft sowie aus Kernenergie. Ebenso bleibt unverändert, dass die Teilnahme der Marktteilnehmer an direkten Preisstützungsregelungen in Form zweiseitiger Differenzverträge sowie an gleichwertigen Regelungen mit denselben Wirkungen in Falle freiwillig ist.

Unternehmen werden auch selbst entscheiden können, ob sie sich für zweiseitige Differenzverträge mit dem Staat oder für direkte Stromabnahmeverträge mit den Verbrauchern entscheiden. Derartige Direktverträge zwischen Stromerzeugern und Stromabnehmern (Power Purchase Agreements, PPAs) sollen möglichst langfristig gelten und dienen dem Zweck der Reform,  Endkunden vor stark volatilen Preisen zu schützen.

Schließlich sieht die Reform auch einen Mechanismus zur Ausrufung einer Strompreiskrise vor. In einer Situation extrem hoher Großhandelspreise für Strom bei einem ebenso großen Anstieg der Strompreise für Endkunden kann der Rat EU auf Vorschlag der Europäischen Kommission eine regionale oder EU-weite Strompreiskrise ausrufen. Hierdurch werden die Mitgliedstaaten ermächtigt, durch vorübergehende Maßnahmen Strompreise für besonders betroffene Verbraucher, KMU und sowie für energieintensive Unternehmen festzusetzen.


Bewertung
Insgesamt ist positiv zu bewerten, dass die Reform des EU-Strommarktes die im Sinne eines freien Marktes für Unternehmen notwendige Flexibilität wahrt. Es ist entscheidend, dass es Unternehmen ermöglicht wird, je nach Bedarf zwischen zweiseitigen Differenzverträgen oder direkten Preisstützungssystemen auswählen zu können. Ebenso positiv ist, dass es im Falle einer durch den Rat ausgerufenen Strompreiskrise den Mitgliedstaaten obliegt, nationale Maßnahmen zu treffen, um besonders vulnerable Verbrauchergruppen zu schützen.

Kritisch sieht der Verband jedoch weiterhin, dass die Vorschriften zur Förderung durch direkte Preisstützungssysteme lediglich für Windenergie, Solarenergie, geothermische Energie, Wasserkraft sowie Kernenergie gelten. Aus Biomasse erzeugte erneuerbare Energie ist dagegen nicht erfasst. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass dem durch das Plenum des Europäischen Parlaments in erster Lesung angenommenen Verordnungstext zu einem Net Zero Industry Act  zu Folge richtigerweise sämtliche Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energie gefördert werden sollen, hätte hier im CRMA eine spiegelbildliche Regelung getroffen werden müssen. Die Erzeugung erneuerbarer Energien ist insgesamt zu fördern. Die Priorisierung bestimmter Arten erneuerbarer Energie widerspricht den Umwelt- und Klimazielen der EU, welche innerhalb grüner Energien keinerlei Hierarchie vorsehen. Besonders problematisch ist gerade aus deutscher Sicht, dass nicht alle Arten erneuerbarer Energie erfasst sind und aus Biomasse erzeugte erneuerbare Energie fehlt – Kernenergie hingegen förderfähig ist.

 

Zeitplan
Nach der förmlichen Bestätigung der politischen Einigung durch den Rat und das Europäische Parlament steht lediglich noch die Veröffentlichung der vier EU-Rechtsakte, die im Rahmen dieser Reform revidiert werden, im Amtsblatt der EU aus. Am zwanzigsten Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt treten sie dann in Kraft.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Mai 2024

Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung