Vorschlag für eine Richtlinie zur Bodenüberwachung und -resilienz

Rat und Europäisches Parlament positionieren sich

Die Europäische Kommission präsentierte am 5. Juli 2023 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Bodenüberwachung und -resilienz (siehe Artikel im Europaspiegel Februar 2024). Ziel dieser Richtlinie ist, bis 2050 einen gesunden Zustand aller Böden in der EU zu erreichen. Sowohl das Europäische Parlament (10. April 2024) als auch der Rat (17. Juni 2024) haben sich mittlerweile mit teils sehr unterschiedlichen Änderungsvorschlägen zum Kommissions-vorschlag positioniert. Die Trilogverhandlungen zu diesem Dossier sollen im Herbst beginnen.


Wesentlicher Inhalt
Bei dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Bodenüberwachung und -resilienz (Soil Monitoring Law) handelt es sich um den ersten Gesetzgebungsakt der EU, der sich ausschließlich der Bodengesundheit widmet. Die Aufbereitung und Bewirtschaftung der Böden leisten einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Null-Schafstoff-Ziele des Zero Pollution Action Planes der EU. Die Europäische Kommission verfolgt mit ihrem Richtlinienvorschlag das Ziel, den Zustand der Böden in der EU, von denen aktuell über 60% als geschädigt eingestuft werden, zu verbessern.

Zu diesem Zweck werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Gesundheit der Böden zu überwachen (Art.7), regelmäßig zu messen (Art. 8) und anschließend zu bewerten (Art. 9). Bei den Bewertungskriterien (sogenannte Bodendeskriptoren) handelt es sich z. B. um den Grad der Versalzung, die Bodenerosionsrate und den Anteil an organischem Kohlenstoff (Anhang I). Dabei sollen Böden bereits dann als ungesund gelten, wenn eines der Kriterien des Anhangs I nicht erfüllt wird. Mithin regelt der Kommissionsvorschlag ausschließlich zwei Kategorien zur Bewertung der Bodengesundheit: Böden sind entweder gesund oder ungesund.

Der Kommissionsvorschlag sieht zudem verbindliche Regelungen zur Festlegung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken vor. So sollen nach Art. 10 des Richtlinienvorschlages die Mitgliedstaaten vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie nachhaltige Bodenbewirtschaftungspraktiken festlegen und dabei die im Anhang III aufgeführten Grundsätze der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung einhalten. Es handelt sich hierbei um eine umfangreiche Liste mit Grundsätzen, zu denen die Vermeidung vegetationsloser Böden durch Schaffung und Erhaltung einer Vegetationsdecke und im Falle der Düngung die Anpassung an den Bedarf der Pflanzen und Bäume am jeweiligen Standort sowie die Priorisierung kreislauffähiger Lösungen zählen.


Position des Europäischen Parlaments
Die Position des Europäischen Parlaments sieht ein differenzierteres System zur Bewertung der Bodengesundheit vor.  Demnach sollen fünf Stufen für die Bewertung der Bodengesundheit eingeführt werden. Ein Boden sei demnach nur dann gesund, wenn er einen „hohen“ oder einen „guten ökologischen Status“ aufweise. Bei der niedrigsten Stufe der Bodengesundheit soll es sich um sogenannte „stark degradierte Böden“ handeln. Die Bewertung der Bodengesundheit soll nach der Position des Europäischen Parlaments zwingend innerhalb dieser fünf Stufen erfolgen. Die konkreten Kriterien für die einen gesunden Bodenzustand werden weiterhin im Anhang I geregelt. Die Kommission soll ermächtigt werden, bis zum 31. Dezember 2026 einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, in dem sie eine Methode zur Bestimmung der Schwellenwerte für die in Anhang I aufgeführten Bodendeskriptoren für jeden ökologischen Zustand festlegt. Auf Basis dieses delegierten Rechtsakts sollen die EU-Mitgliedstaaten der Kommission sodann bis zum 30. Juni 2028 Entwürfe für Schwellenwerte für die in Anhang I aufgeführten Bodendeskriptoren vorlegen.

Das Europäische Parlament befürwortet darüber hinaus ein vollständig neues System zur Festlegung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken. So soll die Kommission ein Instrumentarium („toolbox“) mit den besten Praktiken der Mitgliedstaaten zusammenstellen, welches den Bewirtschaftern von Bodenflächen zur Verfügung gestellt werden soll (Art. 10a Positionierung EP). Bei diesen Bodenbewirtschaftungspraktiken soll es sich indes nicht um verbindliche Vorgaben, sondern lediglich um Empfehlungen handeln. Insoweit wird hier stärker auf einen Kompetenzaustausch zwischen den Mitgliedstaaten gesetzt und gänzlich auf eine Fristvorgabe verzichtet.


Allgemeine Ausrichtung des Rates
In Bezug auf die Kriterien zur Bewertung der Bodengesundheit verzichtet die Allgemeine Ausrichtung des Rates gänzlich auf jede verbindliche Klassifikation der Bodengesundheitswerte durch die Bodenüberwachungsrichtlinie. Die diesbezüglichen Regelungen der Richtlinie werden insoweit als unverbindliche Zielwerte bezeichnet. Damit sind die Kriterien für einen gesunden Bodenzustand insgesamt von den Mitgliedstaaten festzulegen.

Anstatt der im Kommissionsvorschlag vorgesehenen Frist von vier Jahren sollen die Mitgliedstaaten nach den Vorstellungen des Rates innerhalb von maximal fünf Jahren nachhaltige Bodenbewirtschaftungspraktiken festlegen. Ebenso wie das Europäische Parlament befürwortet auch der Rat die Erstellung einer indikativen Liste mit zu überwachenden Bodenverunreinigungen durch die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten. Zudem soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gewährt werden, für jeden einzelnen Bodendeskriptor des Anhangs I (Teile A und B) Verbesserungen festzulegen.

Darüber hinaus sieht die Allgemeine Ausrichtung des Rates eine Änderung des Art. 10 des Kommissionsvorschlages zur nachhaltigen Bodenbewirtschaftung vor: bei der Festlegung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken sollen die im Anhang III aufgeführten Grundsätze der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung nicht mehr verpflichtend eingehalten, sondern lediglich berücksichtigt werden.

Schließlich befürwortet der Rat auch eine Verlängerung der Frist für die erste von den Mitgliedstaaten durchzuführende Bodenbewertung auf sechs Jahre ab Inkrafttreten der Richtlinie. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament fordern demgegenüber eine Frist von fünf Jahren.


Bewertung
Der BDE begrüßt ausdrücklich das mit dem Kommissionsvorschlag verfolgte Ziel der zügigen Verbesserung der Bodengesundheit innerhalb der EU. Gesunde Böden sind die Grundlage für eine gesunde Lebensmittelversorgung und die Verschlechterung des Bodenzustandes in der gesamten EU ist alarmierend. Mit Blick auf die Erreichung der Umwelt- und Klimaziele der EU – nicht zuletzt im Hinblick auf die Null-Schadstoff-Politik – ist ein EU-weites Vorgehen zur Verbesserung der Bodengesundheit zwingend geboten.

Zunächst ist erfreulich, dass sich sämtliche EU-Gesetzgebungsorgane für eine verpflichtende Überwachung und transparente Berichterstattung über den Bodengesundheitszustand aussprechen. Diese ist die Basis dafür, dass eine verlässliche Bewertung der Bodengesundheit (als zweiter Schritt) erfolgen kann. Deshalb ist es auch begrüßenswert, dass sich Europäische Kommission, Parlament und Rat darüber einig sind, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission und der Europäischen Umweltagentur Berichte über die angewendeten Bodenbewertungsmaßnahmen übermitteln müssen, um für die notwendige Transparenz zu sorgen und die Effektivität dieser Maßnahmen im Hinblick auf die Verbesserung der Bodengesundheit bewerten zu können.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu betonen, dass den Mitgliedstaaten bei der Verwendung der für die Bewertung der Bodengesundheit angewendeten Bodendeskriptoren hinreichend Freiraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Böden gewährt werden muss. Bei der Bewertung der Bodengesundheit handelt es sich nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Unterschiede und Eigenheiten der jeweiligen Böden um ein sehr komplexes Verfahren. Aufgrund dessen sind, je nach Boden, nicht per se dieselben Bodendeskriptoren und nicht dieselben Grenzwerte für einen jeweiligen Bodendeskriptor anwendbar. Daher ist entscheidend, dass den Besonderheiten des konkreten Bodens hinreichend Rechnung getragen und den Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Bodendeskriptoren hinreichend Flexibilität gewährt wird. Es ist daher erfreulich, dass sich der Rat gegen eine verpflichtende Anwendung der im Anhang I, Teile A und B genannten Bodendeskriptoren positioniert.

Im Hinblick auf die Positionierung des Europäischen Parlaments zu der Bewertung der Bodengesundheit ist zwar erfreulich, dass sich auch die EU-Abgeordneten gegen das zu strenge System des Kommissionsvorschlages mit einer bloßen Unterteilung in gesunde und ungesunde Böden anhand vorgegebener Bodendeskriptoren positioniert haben. Allerdings wird dafür ein kompliziertes fünfstufiges System vorgeschlagen, in dessen Rahmen auch weiterhin verbindlich einzuhaltende Bodendeskriptoren vorgegeben werden und darüber hinaus von der Europäischen Kommission delegierte Rechtsakte zur Berechnung einzuhaltender Schwellenwerte erlassen werden sollen. Ein solches System würde nicht den notwendigen Freiraum der Mitgliedstaaten bei der Bewertung der Bodengesundheit schaffen. Die Positionierung des Rates ist demnach aus Sicht des Verbandes vorzugswürdig.

Bei der Feststellung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken (Art. 10) hätte sich der BDE hingegen mehr Ambition gewünscht. In dieser Hinsicht ist die Positionierung des Rates abzulehnen, da in dieser die bereits lange Frist aus dem Kommissionsvorschlag von vier Jahren für die Festlegung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken auf fünf Jahre verlängert wird.

Der BDE bedauert, dass in den Positionierungen Regelungen zu der Bedeutung und den Vorteilen organischer Düngemittel, allen voran Kompost, fehlen. Das ist kritisch zu sehen, denn zu diesen Vorteilen gehören die langsame und langanhaltende Düngewirkung, die Humusbildung, eine verbesserte Kohlenstoffbindung, die Vermeidung von Bodenversalzung sowie die geringere Konzentration von Reinnährstoffen. Weitere wichtige Aspekte sind die Verringerung des Pestizideinsatzes und der Gefahr von Bodenerosion1. In Deutschland könnte bei voller Ausnutzung des Kompostierungspotenzials durch die Bildung von 1,24 Mio. Tonnen Humus etwa 0,62 Mio. Tonnen Kohlenstoff gebunden werden, was einer Emissionsvermeidung von 2,26 Mio. Tonnen CO2 -Äquivalenten entspricht2. Außerdem wird durch Düngung mit Kompost ein Teil der Produktion von synthetischen Mineraldüngern überflüssig, was ebenfalls zur Vermeidung von CO2-Emissionen führt3.

Diese Aspekte müssen zwingend eine wichtigere Rolle spielen, wenn es darum geht, Maßnahmen für eine Wiederherstellung der Bodengesundheit zu benennen. Im Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz ist ein verstärkter Gebrauch organischer Düngemittel alternativlos, was in den einschlägigen EU-Rechtsakten, wie zum Beispiel der Bodenüberwachungsrichtlinie, stärker zum Ausdruck hätte kommen müssen. Zumindest ist im Kommissionsvorschlag die Kompostierung in die indikative Liste der Risikominderungsmaßnahmen des Anhangs V aufgenommen worden, wogegen weder Europäisches Parlament noch Rat Einwände erhoben haben.

Schließlich ist die Position des Rates im Hinblick auf die Frist für die erste von den Mitgliedstaaten durchzuführende Bewertung der Bodengesundheit zu begrüßen. Eine Verlängerung dieser Frist von fünf auf sechs Jahre ab Inkrafttreten der Richtlinie erscheint sachgerecht, da die Bewertung des Gesundheitszustands der Böden einen sehr hohen technischen und bürokratischen Aufwand erfordert. Dies muss berücksichtigt werden, zumal die Richtlinie ein neues System vorgibt, das die Mitgliedstaaten umsetzen müssen.


Ausblick
Die Trilogverhandlungen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament zu diesem Dossier sollen im Herbst beginnen. Ein konkretes Datum für die erste Trilogrunde stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Aufgrund der teilweise signifikanten Unterschiede zwischen der Position des Rates und der des Europäischen Parlaments – nicht zuletzt im Hinblick auf das vom Parlament befürwortete fünfstufige Modell zur Bewertung der Bodengesundheit – sind mehrere Trilogrunden zu erwarten. Eine Einigung zu diesem Dossier bis Ende des Jahres erscheint jedoch möglich, sodass ein Inkrafttreten der Richtlinie im ersten Halbjahr 2025 nicht ausgeschlossen ist. Als Richtlinie ist diese von den EU-Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht umzusetzen. Im Hinblick auf die Dauer des Umsetzungszeitraums sind sich die Co-Gesetzgeber jedoch noch nicht einig. Während Kommission und Parlament eine Umsetzungsfrist von maximal zwei Jahren befürworten, würde der Rat den Mitgliedstaaten drei Jahre für die Umsetzung der Richtlinie gewähren.
 

1 United States Environmental Protection Agency, Composting At Home, Benefits of Using Your Finished Compost.
2 EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, Boden-, Ressourcen- und Klimaschutz durch Kompostierung in Deutschland, S. 6, Hamburg, April 2004.
3 Ibid.

   

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Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung