Neue EU-Legislaturperiode 2024-2029

Konstituierung des Europäischen Parlaments

Nach den Europawahlen im Juni 2024 haben sich die Fraktionen im Europäischen Parlament formiert.


Hintergrund
Vom 06. bis zum 09. Juni 2024 fanden in den 27 Mitgliedstaaten der EU die Wahlen für das Europäische Parlament statt. Im Vorfeld hatten zahlreiche Forschungsinstitute ein klares Erstarken der rechten Fraktionen prognostiziert (siehe Artikel im Europaspiegel Mai 2024), welche sich bestätigten. Die finalen Wahlergebnisse der einzelnen Mitgliedstaaten wurden schrittweise bekannt gegeben und im Juli 2024 konstituierte sich das Europäische Parlament in seinen Fraktionen und Ausschüssen für die zehnte Legislaturperiode.


Wahlergebnisse
Europäisches Parlament 2024-2029 - Konstituierende Sitzung

EP_Konstituierende_Sitzung

Als am Abend des 09. Juni die vorläufigen Ergebnisse bekannt gegeben wurden, jubelten die konservativen und rechten Parteien, während die linken ihre Verluste verarbeiten mussten. Als Wahlsieger ging eindeutig die konservative Europäische Volkspartei (EVP) hervor, die mit 188 Sitzen nicht nur stärkste Kraft wurde, sondern gegenüber der letzten Wahl 2019 auch 12 Sitze dazugewann. Damit stellt die EVP, mit Manfred Weber (CDU) an der Spitze, nun über 25% der Abgeordneten und hatte Anspruch auf einen Großteil der Spitzenämter, die neu zu besetzen waren. Neben der EVP gewannen auch die Patrioten für Europa (PfE), die aus der Identität & Demokratie Fraktion (ID) im Juli 2024 hervorging, zusätzliche Abgeordnete. Von 49 Sitzen am Ende der vorherigen Legislatur – in der sie die AfD mit 9 Abgeordneten ausgeschlossen hatten – erreichten die Patrioten nun 84 Sitze, was sie zur drittstärksten Kraft macht. Die wichtigsten Mitgliedsparteien der Patrioten sind unter anderem das französische Rassemblement National, die italienische Lega, die Freiheitliche Partei Österreichs und Orbans Fidesz Partei. Auch die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), die unter anderem von der italienischen Fratelli d’Italia und der polnischen PiS (Prawo i Sprawiedliwość) gebildet werden, konnten die Zahl ihrer Sitze erhöhen und kommen nun auf 78 Abgeordnete für die neue Legislaturperiode. Beide Fraktionen, die Patrioten und die EKR, wurden allerdings durch die neu gegründete Fraktion Europa Souveräner Nationen (ESN) geschwächt. Diese neue Fraktion ist politisch rechts von der ehemaligen ID-Fraktion anzusiedeln und hat 25 Europaabgeordnete, sie überschreitet damit nur knapp die zur Bildung einer Fraktion nötige Zahl von 23 Abgeordneten, die aus sieben verschiedenen Mitgliedstaaten stammen müssen. Neben diesen Fraktionen konnte auch die Linke (GUE/NGL) Sitze hinzugewinnen, sie wuchs von 37 Abgeordneten auf 46 an. Trotzdem bleibt sie damit die zweitkleinste Gruppe im Europäischen Parlament.

Die größten Wahlverlierer waren die Parteien bzw. Fraktionen der Mitte und links der Mitte, abgesehen von der ganz links stehenden GUE/NGL. Die Sozialdemokraten (S&D) konnten zwar größere Verluste vermeiden und wurden mit 136 Sitzen die zweitstärkste Fraktion, jedoch mit deutlichem Abstand zur EVP. Die Liberalen, Renew Europe, mussten im Gegensatz dazu größere Verluste hinnehmen. Von den 102 Sitze der letzten Legislatur konnten lediglich 77 verteidigt werden, wobei mit 10 Sitzen die Renaissance Partei von Emmanuel Macron in Frankreich innerhalb der Fraktion die größten Verluste erlitt. Die Fraktion der Grünen büßte ebenfalls fast zwanzig Abgeordnete ein und ist auf 53 Sitze geschrumpft. Durch diese Verkleinerung rutschen sie von ihrer Position als viertstärkste Kraft auf Platz sechs ab.

Für die Mehrheitsverteilung im Europäischen Parlament ergibt sich dadurch eine ähnliche Situation wie in der letzten Legislaturperiode, in der die EVP und S&D wahlweise mit Renew und den Grünen (entweder 401 oder 377 Sitze von 720) eine Mehrheit bilden können. Im Vergleich zur vorhergehenden Legislaturperiode ist die Koalition zwar deutlich weniger robust, allerdings haben alle vier Fraktionen zusammen 454 Abgeordnete und könnten damit weiterhin alle legislativen Vorhaben verwirklichen. Eine solche großzügige Mehrheit zählt allerdings auf EU-Ebene weniger als auf nationaler, da die Fraktionsdisziplin geringer ist und die nationalen Parteien oft nach eigenen Interessen und Haltungen abstimmen1. Auch aus diesem Grund hat sich Ursula von der Leyen im Vorfeld ihrer Wiederwahl zur Kommissionspräsidentin die Zusammenarbeit mit der EKR offengehalten.

Eine gründliche Zusammenfassung und Bewertung der politischen Ziele der Fraktionen für die kommende Legislaturperiode befindet sich im Europaspiegel vom Mai 2024 (siehe Artikel im Europaspiegel Mai 2024).


Ämterbesetzung
Mitte Juli traf sich das Europäische Parlament zur konstituierenden Sitzung und wählte erneut Roberta Metsola (EVP, Malta) zu Präsidentin des Europäischen Parlaments und Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin. Parallel zu diesen Wiederwahlen fanden auch für das Europäischen Parlament wichtige Neubesetzungen statt. Zunächst konstituierten sich die Fraktionen, welche im Anschluss daran die Parlamentsausschüsse und ihre Mitglieder bestimmten, die dann Ende Juli ihre Vorsitzenden und Vize-Vorsitzenden festlegten. Deutsche Europaabgeordnete wurden in einigen Ausschüssen in beteutende Funktionen (wieder)gewählt: beispielsweise wird der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz erneut von Anna Cavazzini (die Grünen) als Vorsitzende und von Christian Doleschal (EVP) als erster Vize-Vorsitzender geleitet. Auch im Ausschuss für Internationalen Handel wurde das langjährige Mitglied Bernd Lange (S&D) zum dritten Mal zum Vorsitzenden gewählt, während der Ausschuss für Wirtschaft und Währung Damian Boeselager (die Grünen) zum ersten. Vize-Vorsitzenden wählte. Der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hingegen wird künftig vom Italiener Antonio Decaro (S&D) geführt. Die Ausschussämter wurden damit für die erste Hälfte der Legislaturperiode festgelegt und werden Anfang 2027 neu vergeben.

Als erste wichtige Aufgabe werden die Ausschüsse die für die neue Kommission vorgeschlagenen Kommissare, deren Portfolio inhaltlich den Zuständigkeiten des jeweiligen Ausschusses entspricht, überprüfen. (zur neuen Kommission siehe Artikel im Europaspiegel Oktober 2024). Hierbei dürfen die Ausschüsse die Kandidaten mit Hilfe von schriftlichen Fragen und im Rahmen öffentlicher Anhörungen befragen. Im Anschluss daran muss das vollständige Kollegium durch das Plenum des Europäischen Parlaments offiziell bestätigt werden. Sobald die Kommission bestätigt ist, kann die legislative Arbeit der Europäischen Kommission beginnen.

Neben den Anhörungen der Europäischen Kommission, wird das Europäische Parlament auch die legislative Arbeit zu bereits laufenden Dossiers (beispielsweise die partielle Revision der Abfallrahmenrichtlinie oder die Green Claims  Richtline) in Form von Trilogverhandlungen oder der Erarbeitung von Parlamentspositionierungen fortsetzen.
 

1 z. B. hat sich die FDP bei der Wahl für die Kommissionspräsidentin dafür entschieden gegen Ursula von der Leyen abzustimmen, obwohl die Renew-Fraktion
sie unterstützt hat.
 

 

Zeitplan
• Öffentliche Anhörungen der potenziellen Kommissare durch die Ausschüsse: Oktober / November 2024.
• Bestätigung und Arbeitsaufnahme der Europäischen Kommission: voraussichtlich zum 01. Dezember 2024.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Oktober 2024

Marlena Mazura

Europareferentin für Abfall-, Umwelt- und Energiepolitik