Kreislaufwirtschaft und Rohstoffpolitik

Die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die Rohstoffversorgung ist in den letzten Monaten krisenbedingt immer deutlicher geworden. Da in Deutschland und im Europäischen Wirtschaftsraum natürliche Rohstoffe nur bedingt und in kleinerem Ausmaß gewonnen werden können, müssen viele Rohstoffe bisher aus anderen Ländern importiert werden. Die Gewinnung von Primärrohstoffen erfolgt oft unter erheblichen Eingriffen in die Natur und ist, ebenso wie der Transport, energieintensiv und erzeugt daher einen hohen CO2-Fußabdruck. Im Zuge globaler Spannungen und Lieferkettenprobleme ist die Versorgungssicherheit gefährdet. Daher bedarf es eines politischen Rahmens, der Wertschöpfungsketten im Sinne der Kreislaufwirtschaft transformiert und sich stärker an Maßnahmen des Produktrechts bedient.

Rohstoffe aus Recyclingprozessen können in Deutschland benötigte Primärmaterialien nicht ganz ersetzen. Der gesamte Rohstoffbedarf Deutschlands liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Tonnen (inkl. der Produktion von Exportgütern), an sämtlichen Abfällen stehen jährlich ca. 420 Millionen Tonnen zur Verfügung. Folglich kann auch eine ambitionierte Recyclingpolitik nicht den Anspruch erheben, unseren Rohstoffbedarf zum größten Teil zu decken. Daher bedarf es auch alternativer Produktions- und Konsumtionsweisen, die durch die Politik gefördert werden müssen.

Sharing-Modelle, Product-as-a-service und generell kreislauffreundliches Produktdesign sind wichtig, um ohne Wohlstandsverluste das Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen erleichtern zu können. Die Kreislaufwirtschaft muss als eine zentrale Säule der Rohstoffversorgung verstanden werden.

Um dies zu erreichen, halten wir folgende Forderungen für zielführend:

1. Kreislaufwirtschaft messbar machen: Einführung einer Substitutionsquote für Deutschland
Quoten sind – auch in der Kreislaufwirtschaft – kein Selbstzweck. Wenn sie Rezyklatmärkte stärken, zu Investitionen und Innovationen motivieren, Produzentenverhalten beeinflussen können, sind sie sinnvoll. Das dürfte vor allem im Kunststoffbereich gelten. Wenn aber diese Zielsetzungen fehlschlagen, weil es etwa die größte Herausforderung ist, überhaupt an qualitativ gute Recyclingrohstoffe zu kommen (bei vielen Massenmetallen), erzielen diese keinen Mehrwert und dürften eher zu neuen Problemen führen.

Die amtlichen Recyclingquoten geben ein verzerrtes, weil zu optimistisches Bild der tatsächlichen Lage der Rohstoffverwertung aus Abfällen wieder. Bessere Aussagen über die Qualität und Quantität von Recyclingrohstoffen lassen sich durch eine Substitutionsquote treffen. Diese Quote zeigt, wie hoch der Anteil der Recyclingrohstoffe am gesamten Rohstoffbedarf des Landes ist. Ein Anstieg der Quote kann durch rohstoffeffizienteres Wirtschaften sowie verstärktes Recycling erreicht werden. Eine Substitutionsquote kann der Politik eine klare Orientierungshilfe über den aktuellen Einsatz von Sekundärrohstoffen in Deutschland liefern. Um einen Effekt auf die praktische Kreislaufführung zu haben, sollte die Quote auch auf einzelne Materialien und Elemente heruntergebrochen werden und mittel- bis langfristig auch die branchen- und produktspezifische Ebene mit einbeziehen. Auf Basis realistischeren Messung des Beitrags der Kreislaufwirtschaft kann in Zukunft die Politik zielgerichtete Maßnahmen und verpflichtende Einsatzquoten für Rezyklate für einzelne Materialien oder Sektoren vorgeben. Bei der Einführung dieser spezifischen Pflichtquoten müssen Mengenverfügbarkeiten, technische Möglichkeiten und mögliche Zielkonflikte mit anderen Verwendungsformen der Materialien mitgedacht werden. Gerade im Bereich kritischer Rohstoffe wie im Bereich der seltenen Erden oder bei Komposten (als Torfersatz in der Erdenproduktion) können verpflichtende Substitutionsquoten ein geeignetes politisches Instrument zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft sein, die zu einer klimaschonenden wirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen.

2. Ressourcenschutz und Abfallvermeidung ernst nehmen: Stärkere Anreize für eine starke Wirtschaft mit weniger Rohstoffverbrauch
In Deutschland werden jährlich rund 1 Milliarden Tonnen Primärrohstoffe abgebaut. Weitere 0,7 Milliarden Tonnen Rohstoffe, Halb- und Fertigwaren werden importiert. Abzüglich der Exporte von 0,4 Milliarden Tonnen werden in Deutschland somit etwa 1,3 Milliarden Tonnen Rohstoffe verbraucht. Dies entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von 16 Tonnen pro Jahr. Die Extraktion und Verarbeitung der Rohstoffe haben erhebliche negative Auswirkungen auf Klima und Artenvielfalt. Aus diesem Grund sollte die zukünftige Kreislaufwirtschaftsstrategie den Fokus auf den generellen Rohstoffverbrauch und die Verringerung des Abfallaufkommens richten. Durch geeignete Rahmenbedingungen sollte unser Rohstoffbedarf vom Wirtschaftswachstum entkoppelt und durch effektive Maßnahmen das Aufkommen vermeidbarer Abfälle gesenkt werden.

Der rein appellative Charakter des Abfallvermeidungsprogramms hat bis heute kaum Erfolge erzielt. Der BDE hält stoffstrombezogene quantitative Vermeidungsziele für einen ersten wichtigen Schritt, damit Politik und Wirtschaft mithilfe einer messbaren Referenz ihre Aktivitäten stärker auf ressourcenschonende Wirtschaftsaktivitäten konzentrieren. Die Höhe dieser Reduktionsziele und deren Messung sollten Teil eines Forschungsprogramms der Bundesregierung sein, welches im Stakeholderverfahren von allen relevanten Akteuren begleitet werden sollte. Dabei bedarf es der Diskussion, welche Abfälle als leicht vermeidbar eingestuft werden und in welchen Sektoren (z.B. Wärmedämmung im Baubereich/Ausbau Windkraft) mit mehr Abfällen gerechnet werden muss.

Im Falle der Nichteinhaltung der gesetzten Reduktionsziele bedarf es eines klaren Monitorings über die Ursachen und Verantwortlichkeiten mit entsprechenden Gegenmaßnahmen. Quantitative Abfallvermeidungsziele bedürfen gleichzeitig einer umfangreichen Förderung von ressourcenschonenden Konsummustern und Produktionstechnologien. Und sie müssen flankiert werden durch Maßnahmen, die zum Beispiel die Qualität der Abfälle und der Sekundärmaterialien als auch ihrer Absatzmärkte adressieren. „Weniger, aber auch „besseren“ Abfall durch eine umfassende Kreislaufwirtschaftspolitik“, so muss das übergeordnete Ziel lauten.

Zur Senkung des Rohstoffverbrauchs und Vermeidung von Abfällen hält der BDE folgende Maßnahmen für sinnvoll:

  • Insgesamt gelangten 2017 rund 37 Prozent des deutschen Rohstoffverbrauchs in die energetische Nutzung. Ein schnellerer Umstieg auf erneuerbare Quellen vor allem in den Bereichen Energie und Mobilität würde den Bedarf an fossilen Ressourcen erheblich senken.
  • Des Weiteren sollte sich die deutsche Bundesregierung stärker für eine grundlegende Reform des Produktrechts (vornehmlich auf europäischer Ebene) einsetzen, das klare Ökodesignvorgaben macht und die Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Recycelbarkeit von Produkten verbessert.
  • Auch die öffentliche Hand muss ihre Ausschreibungspolitik grundsätzlich auf die Erfordernisse der Kreislaufwirtschaft umstellen und stärker auf wiederverwendete, wiederverwendbare und recycelbare Produkte mit hohem Rezyklatanteil setzen.
  • Letztlich müssen die Kommunen ihrer Pflicht zur Abfall(vermeidungs)beratung bei den Bürgerinnen und Bürgern nachkommen und hier wesentlich stärker als heute Abfallvermeidungsmaßnahmen vor Ort stärken.

3. Getrenntsammlung verbessern, Rohstoffe gewinnen
Optimale Getrenntsammlung ist entscheidend für Mengen und Qualität der Rohstoffe, die aus Abfällen gewonnen werden können. Es bestehen deutliche Verbesserungspotenziale, so werden z.B. Versäumnisse bei der Getrenntsammlung durch spätere Aufbereitungsverfahren kaum ausgeglichen.  Im Rahmen gestärkter Produzentenverantwortung sollten gemeinsam mit den Herstellern für geeignete Stoffströme Rücknahmesysteme eingerichtet und ausgebaut werden, die die Kreislaufschließung verbessern. Dämmstoffe bieten sich beispielsweise für ein solches Rücknahmesystem an. Die dualen Systeme müssen in die Erarbeitung dieser Modelle einbezogen werden. Ziel muss sein, von heute noch verbreiteten Rohstoffgemischen hin zu einer Stoffstromklarheit zu kommen, die die Recyclingfähigkeit und damit die Rohstoffverfügbarkeit drastisch erhöht. Finanzielle Anreize könnten hierbei wirkungsvoll sein.

Zur Steigerung von Mengen und Qualitäten durch konsequent umgesetzte Getrenntsammelsysteme schlägt der BDE weitere Maßnahmen in den Bereichen Bioabfall und Verpackungsabfälle vor:

a. Bioabfälle
Deutschland kann sein Potential von 3,5 Millionen Tonnen organischer Abfälle aus der Restabfalltonne heben, wenn ineffektive Bringsysteme abgeschafft und gesetzliche Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) und der Bioabfallverordnung (BioAbfV) auf allen Ebenen der Verwaltung umgesetzt werden. Bringsysteme sind für Massenströme grundsätzlich nicht optimal.

Der Beitrag von Bioabfällen zur Gasversorgung muss erhöht werden: Anlagen, die aus der Organik Biogas gewinnen und in Biomethan umwandeln, sollten gefördert werden, etwa durch höhere EEG-Zuschläge und durch erleichterte, schnellere Einleitungsgenehmigungen in die Erdgasnetze. Zudem werden derzeit nur 34 Prozent aller häuslichen Bioabfälle in einer Kaskadennutzung verwertet. Bau und Betrieb dafür nötiger Anlagen sollten durch Fördermaßnahmen und erleichterte Anlagengenehmigungen beschleunigt werden. Im KrWG wird die Hochwertigkeit der Verwertung gefordert, ohne dass diese im Gesetz oder einer Rechtsverordnung (z.B. BioAbfV) näher definiert ist – energetisch-stoffliche Verwertung nach dem Kaskadenprinzip muss als hochwertige Verwertung definiert und entsprechend gefördert werden. Daneben muss die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung in der Art novelliert werden, dass keine Erfordernisse zur weiteren Nachweisführung über die Herkünfte von Bioabfall und der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien sowie keine übertriebene Zertifizierungserfordernis für Anlagen in der Entsorgung mehr bestehen.

b. Verpackungsabfälle
Im Sinne der Transparenz und Vergleichbarkeit unterschiedlicher Sammelsysteme muss die Sammelmenge für Verpackungsabfälle auf Ebene der kommunalen Gebietskörperschaften dokumentiert und zentral veröffentlicht werden. Durch die verbesserte Datenlage können zielgerichtete Maßnahmen zur Verbesserung der Wertstoffsammlung abgeleitet werden. Ziel muss es sein, die Erfassung vor allem qualitativ zu verbessern.

4. Wasser als Kreislaufressource wiederverwenden
Laut Global Institute for Water Security ist Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren jährlich um 2,5
Kubikkilometer ausgetrocknet. Das ist so viel wie die Wassermenge des Bodensees.

Die Wiederverwendung von Wasserreserven und eine bessere Speicherung von Regenwasser könnten dabei zu einer großen Entlastung des Grundwassers und von Trinkwasserquellen beitragen. Daher muss die Kreislaufführung von Wasser gestärkt werden. Es bedarf eines Paradigmenwechsels und eine Stärkung des Kreislaufs. Es braucht einen Kreislauf der auch die Nährstoffe im Wasser, wie Phosphor erhält. Dies muss stärker durch Verordnungen angereizt werden. Für den urbanen Raum sollte die Förderung stadtplanerischer Konzepte wie der Schwammstadt im Vordergrund stehen.

Viele Kommunen denken bereits über den Aufbau intelligenter ReUse-Systeme nach. Sie setzen dabei auf das Knowhow von Privatunternehmen der (Ab-)Wasserwirtschaft, die auf langjährige Erfahrungen im internationalen Bereich bauen können. Damit Kommunen aber in den umwelt- und klimafreundlichen Ausbau solcher Rückhaltesysteme investieren, braucht es einen klaren politischen und rechtlichen Rahmen, der den Aufbau und Betrieb zur Wasserwiederverwendung fördert und Genehmigungsverfahren für entsprechende Anlagen und Infrastrukturen erleichtert und beschleunigt.

Des Weiteren gilt es, das Verursacherprinzip im Abwasserbereich zu verankern und hier solide privatwirtschaftliche Finanzierungsgrundlagen für den Aufbau der 4. Reinigungsstufe in Abwasserbehandlungsanlagen zu schaffen.

 

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Die Getrenntsammlung ist die wichtigste Voraussetzung für eine Kreislaufwirtschaft, die diesen Namen auch verdient. Sie ist erwiesenermaßen der Schlüssel für Ressourcenschonung, Energieeinsparung und Klimaschutz.

BDE – Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V.