Abfallverbringungsverordnung

Trilog-Einigung bereits vom Europäischen Parlament formell bestätigt

Europäisches Parlament und Rat haben unter Moderation der Europäischen Kommission im Trilog eine politische Einigung erzielt, die das Europäische Parlament bereits formell bestätigt hat.

 

Hintergrund
Die Trilogverhandlungen, die Mitte 2023 gestartet waren, mündeten am 16. November 2023 in eine politische Einigung (samt Anhang). Diese ist am 11. Januar 2024 vom federführenden Umweltausschuss und am 27. Februar 2024 auch vom Plenum des Europäischen Parlaments formell angenommen worden. Wenn nun auch zeitnah der Rat formell bestätigt, wovon auszugehen ist, wird das Gesetzgebungsverfahren mit Unterschrift des Gesetzestextes als finaler Rechtsakt nach etwas mehr als zwei Jahren seinen Abschluss gefunden haben.


Aktuelles
Die neuen Regeln werden die bislang geltende EU-Abfallverbringungsverordnung (EG) Nr. 1013/2006 ablösen und bedürfen nicht der Umsetzung in deutsches Recht. Die neue Abfallverbringungsverordnung wird am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Die neuen Regeln sind aber nicht sofort anwendbar. Ihr jeweiliger zeitlicher Anwendungsbereich ist zu beachten. Grundsätzlich werden die neuen Regeln zwei Jahre nach Inkrafttreten anzuwenden sein, wobei es eine Reihe von Sondervorschriften für die zeitliche Anwendbarkeit gibt.

Es wurden u.a. neue Regeln für das allgemeine Notifizierungsverfahren, Vorabzustimmungsverfahren und vereinfachte Verfahren mit Informationspflichten verabschiedet. Weiterhin hat man sich auf die weitere Beschränkung der Ausfuhr von grün gelisteten Abfällen in Staaten, die nicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören geeinigt und den Export von Kunststoffplastik in diese Länder auf absehbare Zeit vollständig verboten. Zur Verbringung auch von sortenreinem Kunststoff zur Verwertung in OECD-Staaten wird es künftig immer der Notifizierung bedürfen.


Wesentliche Inhalte
Abfallverbringung im EU-Inland

Die neuen Regeln sollen nach zwei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung gelten (Art. 82 Abs. 2). Die zur Abfallverbringung erforderlichen Informationen und Unterlagen werden künftig digital über ein zentrales elektronisches System, das von der Europäsichen Kommission erstellt wird, übermittelt (Art. 26).    

Vereinfachtes Verfahren
Das vereinfachte Verfahren mit Informationspflichten zur Verbringung grün gelisteten Abfalls (Liste in Anhang III, IIIA und IIIB) zur Verwertung innerhalb der EU ist in Art. 18 geregelt. Das Anhang VII-Dokument ist zwei Tage vor der Abfahrt digital auszufüllen, wobei Abfallmenge, Beförderer und Behälterkennnummer erst unmittelbar vor Abfahrt zu bestimmen sind (Art. 18 Abs. 2).

Notifizierungsverfahren – insbesondere Dauer
Die Verbringung gelb gelisteter Abfälle (Anhang IV), nicht in Anhang IIIA enthaltener Gemische, nicht gelisteter Abfälle und kontaminierter grün gelisteter Abfälle innerhalb der EU bedarf der Notifizierung nach Kapitel 1. Hierfür sind alle Angaben und Dokumente aus Artikel 5 sowie insbesondere ein Vertrag nach Art. 6 zwischen Versender und Empfänger sowie eine finanzielle Garantie nach Art. 7 erforderlich.

Die angegebene Notifizierungsfrist liegt wie bislang bei 30 Tagen (Art. 9 Abs. 1). Der neuen Regelung zu Folge beginnt die Frist mit Eingang der durch die Bestimmungsortbehörde ausgestellten Antragsempfangsbestätigung beim Notifizierenden (Art. 9 Abs. 1in Verbindung mit Art. 8 Abs. 5d). Zudem wurden auch Fristen vorgesehen, welche die einzelnen Behörden und auch der Notifizierer bei der Nachforderung von Informationen und Unterlagen zur Notifizierung einzuhalten haben (Art. 8). Entscheidet eine Behörde nicht innerhalb von 30 Arbeitstagen, hat der Notifizierer Anspruch auf eine begründete Erklärung für die Verzögerung durch die Behörde (Art. 8 Abs. 6).

Es gelten im Einzelnen folgende Fristen zur Informationsnachforderung im Notifizierungsverfahren.

Die Versandortbehörde hat 10 Arbeitstage zur Nachforderung nach Eingang des Notifizierugsantrags (Art. 8 Abs. Abs. 1a). Daraufhin muss der Notifizierer wiederum innerhalb von 10 Arbeitstagen antworten. Danach darf die Versandortbehörde noch innerhalb von 7 Arbeitstagen zwei weitere Nachforderungen stellen (Art. 8 Abs. 3), woraufhin dem Notifizierer wiederum 10 Arbeitstage zustehen (Art. 8 Abs. 2, 3).

Nach ordnungsgemäß durchgeführter Notifizierung hat die Versandortbehörde 7 bzw. 10 Arbeitstage Zeit zur Bestätigung des vollständigen Antrags an den Notifizierer sowie die anderen zuständigen Behörden (Art. 8 Abs. 3a und 4).

Dies entspricht insgesamt 17 Arbeitstagen zur möglichen Nachforderung und 10 Arbeitstagen zur Empfangsbestätigung, wenn man von einer sofortigen Antwort des Notifizierers ausgeht.

Die Bestimmungsortbehörde und Behörde im Durchfuhrstaat haben daraufhin auch 10 Arbeitstage Zeit, weitere Informationen anzufordern (Art. 8 Abs. 4a) und der Notifizierer wiederum 10 Arbeitstage zur Antwort (Art. 8 Abs. 5).  Innerhalb von weiteren 7 Arbeitstagen dürfen die Behörden zwei weitere Nachforderungen stellen (Art. 8 Abs. 5 a), woraufhin der Notifizierer erneut 10 Arbeitstage hat (Art. 8 Abs. 5, 5a).

Hierauf haben die Behörden weitere 3 Arbeitstage zur Empfangsbestätigung des vollständigen Antrags an den Notifizierer sowie die Versandortbehörde (Art. 8 Abs. 5c).

Dies entspricht insgesamt ebenfalls 17 Arbeitstagen zur möglichen Nachforderung und weiteren 3 Arbeitstagen zur Empfangsbestätigung.

Im Anschluss hieran beginnt eine 30-tägige Bearbeitungsfrist (Notifizierungsfrist) für alle zuständigen Behörden (Art. 9 Abs. 1, 2). Ergeht kein Bescheid innerhalb dieser Frist, hat der Notifizierer erneut Anspruch auf eine begründete Erklärung für die Fristüberschreitung. Für die Durchfuhrbehörde gilt nach Ablauf der 30 Tage die Zustimmung als stillschweigend erteilt (Art. 9 Abs. 1).

Vorabzustimmungsverfahren
Eine Vorabzustimmung zur Verbringung notifizierungspflichtiger Abfälle zur Verwertung innerhalb der EU soll künftig grundsätzlich für 10 Jahre erteilt werden (Art. 14 Abs. 9). Die Genehmigung einer Vorabzustimmung darf 55 Tage nicht überschreiten (Art. 14 Abs. 5). Der Antrag darf abgelehnt werden, wenn die empfangende Abfallverwertungsanlage gegen die Abfallhierarchie oder Industrieemissionsrichtlinie verstößt (Art. 14 Abs. 7). Ein Widerruf der Vorabzustimmung ist dann möglich, wenn Angaben nicht richtig sind oder sich Tatsachen geändert haben (Art. 14 Abs. 10). Für Anlagen mit Vorbzustimmung gilt eine Notifizierungsfrist von 7 Arbeitstagen nach Antragsempfangsbestätigung (Art. 14 Abs. 14). Behördliche Informationsnachforderungen müssen innerhalb von 5 bzw. 3 Arbeitstagen gestellt werden (Art. 14 Abs. 15).

Abfallverbringung zur Beseitigung
Die Verbringung zur Beseitigung wurde verboten (Art. 4 Abs. 1), es sei denn, der Abfallverbringung wird durch Notifizierung (Art. 11) zugestimmt. Hierfür bedarf es insbesondere des Nachweises, dass der Abfall nicht verwertet werden kann und darüber hinaus eine Beseitigung im Land des Versandortes nicht möglich ist. Es ist zu beachten, dass u.a. die Verbringung von Restmüll zur Beseitigung vollständig verboten wurde und deshalb auch unter einer Notifizierung nicht mehr möglich ist.

Abfallverbringung ins EU-Ausland (Drittstaaten)
Ausfuhr grün gelisteter Abfälle aus der EU zur Verwertung in Nicht-OECD-Drittstaaten
Wie bislang ist die Ausfuhr zur Beseitigung außerhalb der EU mit Ausnahme der Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) verboten (Art. 34; Art. 35). Gefährliche Abfälle dürfen auch nicht zur Verwertung in Nicht-OECD-Drittstaaten verbracht werden (Art. 36).

Bei der Ausfuhr grün gelisteter Abfälle aus der EU zur Verwertung in Nicht-OECD-Drittstaaten sind ab drei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung neue Regeln anzuwenden (Art. 37 folgende).

Für eine entsprechende Verbringung bedarf es der Aufnahme des Staates, in dem der Abfall verwertet werden soll, in eine Länderliste, in die Ausfuhren zugelassen sind (Art. 38). Aufnahmevoraussetzung ist die landesweite umweltgerechte Abfallbewirtschaftung durch den Nachweis einer umfassenden Abfallbewirtschaftungsstrategie. Der Nachweis beinhaltet Angaben über die Menge des jährlichen Abfallanfalls des Staates, seine Abfallbehandlungskapazität, den Anteil getrennt gesammelter Abfälle, den Deponierungs- und Recyclinganteil, die Menge der unzulässig entsorgten Abfälle, seine Strategie zur Durchsetzung der Rechtsvorschriften etc. (Art. 39).

Darüber hinaus gilt für jede Art von Kunststoff ab zweieinhalb Jahren nach Inkrafttreten ein ausdrückliches Exportverbot in Nicht-OECD-Drittstaaten (Art. 36 Abs. 1 ca). Es besteht aber fünf Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung die Möglichkeit für betreffende Staaten, sich in die Liste der Länder, in die Exporte erlaubt sind, aufnehmen zu lassen (Art. 39 Abs. 3a).

Abfallverbringer außerhalb der EU haben gemäß Art. 43 Abs. 1 die Pflicht, nachzuweisen, dass die Empfängeranlagen im Drittstaat den Abfall in umweltverträglicher Weise gemäß Artikel 56 verwerten. Dies geschieht durch unabhängige akkreditierte Dritte (Art. 43 Abs. 2).

Ausfuhr von Abfällen außerhalb der EU in OECD-Drittstaaten
Wie bislang ist die Ausfuhr zur Beseitigung außerhalb der EU mit Ausnahme der EFTA-Staaten verboten (Art. 34; Art. 35). Für die Verbringung von Abfällen in OECD-Staaten gelten grundsätzlich die Regeln der innereuropäischen Verbringung mit Anpassungen. Neu ist die Notifizierungspflicht beim Export auch von sortenreinem grün gelistetem Kunststoff (B3011) ab 2 Jahren nach Inkrafttreten der Abfallverbringungsverordnung. Bislang galten hier Regeln ähnlich dem vereinfachten Verfahren mit Informationspflichten (Art. 18). Die Kommission überwacht potentielle Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen von Abfall in empfangenden OECD-Drittsaaten (Art. 42).

Auch bei der Abfallverbringung in OECD-Drittstaaten müssen Abfallverbringer gem. Art. 43 Abs. 1, 2 durch akkreditierte Dritte nachweisen, dass die Anlagen, welche die Abfälle im Empfängerstaat entgegennehmen, diese in umweltverträglicher Weise gemäß Art. 56 behandeln.


Bewertung
Der BDE bewertet die Revision der Abfallverbringungsverordnung gemischt.

Abfallverbringung im EU-Inland
Grün gelistete (Kunststoff-)Abfälle mit POP-Gehalt
Die Position des Europäischen Parlaments, eine grenzwertunabhängige generelle Notifizierungspflicht für (Kunststoff-)Abfälle einzuführen, die einen in der POP-Verordnung genannten persistenten organischen Schadstoff enthalten, konnte sich glücklicherweise nicht durchsetzen. Der Rat konnte sich hier sachgerecht und der BDE-Forderung entsprechend dahingehend durchsetzen, dass wie bislang eine Notifizierungspflicht ab Überschreiten der in Anhang IV der POP-Verordnung festgelegten Verwertungsgrenze gilt.

Kunststoffabfallcodes EU 3011 und EU 48
Darüber hinaus bewertet es der BDE als positiv, dass es nicht zu der vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Streichung der EU-Kunststoffabfallcodes EU 3011 und EU 48 aus (Anhang III, Teil I, Absatz 2g) kam. So dürfen auch grün gelistete Kunststoffgemische, die nicht aus PET, PP oder PE bestehen, innerhalb der EU notifizierungsfrei zur Verwertung verbracht werden.

Dauer der Notifizierungsverfahren
Ob durch die Revision die Kürzung der mitunter willkürlich langen Notifizierungsverfahren gelingen kann, wird die Praxis zeigen. Das Problem liegt hier bislang darin, dass die zuständigen Behörden den Notifizierungsantrag über Monate unbearbeitet lassen konnten, weil die Bearbeitungsfrist erst mit der Übermittlung einer Antragsempfangsbestätigung von der Behörde an den Notifizierenden beginnt. Die Forderung seitens der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, bereits durch die vollständige Antragseinreichung den Fristbeginn auszulösen, hat der Rat abgelehnt. Auch hat sich der Rat der Ausweitung der stillschweigenden Zustimmung über die Durchfuhrbehörde hinaus auch auf die Bestimmungsortbehörde verwehrt, aber immerhin eine untätige Behörde nun, wie vom BDE gefordert, eine Begründungspflicht für die Verzögerung der Bearbeitung.

Vorabzustimmungsverfahren
Der BDE begrüßt, dass die politische Einigung entsprechend der Forderung des Verbandes eine längere Gültigkeitsdauer der Vorabzustimmung von 10 Jahren vorsieht (anstelle von 7 Jahren) und auch die BDE-Forderungen zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe hinsichtlich der Antragsablehnung und des Widerrufs aufgenommen wurden. Der BDE hofft, dass die gewonnene Rechtssicherheit dazu beiträgt, das Vorabzustimmungsverfahren attraktiver zu gestalten.

Vereinfachtes grüne Liste Verfahren
Beim vereinfachten grüne Liste Verfahren wurde sich sichtbar um einen Kompromiss bemüht, um dem Einwand mangelnder Flexibilität gerecht zu werden und eine Kriminalisierung kurzfristig geänderter Abfalltransporte zu verhindern. Allerdings wurde das „vereinfachte“ Verfahren im Ergebnis durch die Anmeldefrist trotzdem verkompliziert.   

Abfallverbringung ins EU-Ausland (Drittstaaten)
Export in Nicht-OECD-Drittstaaten
Die Länderliste und vorgesehenen  Nachweispflichten für die Verwertung  grün gelisteter Abfälle in Nicht-OECD-Drittstaaten ist aus Verbandssicht zur Gewährleistung einer umweltgerechten Verwertung weiterhin zu weitgehend, da die jeweilige Anlage an sich hierfür entscheidend ist und sein sollte und nicht die gesamte Abfallbewirtschaftungsstrategie des Landes. Die politische Einigung schafft mit der Pflicht der die Abfälle ausführenden Person nachzuweisen, dass die Abfälle in der betreffenden Anlage im Drittstaat umweltgerecht verwertet werden, und sicherzustellen, dass die Anlage im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit der Behandlung durch unabhängige und akkreditierte Dritte zertifiziert werden, einen Mechanismus, der eine umweltgerechte hochwertige Behandlung hinreichend sicherstellt.

Kunststoffexport in Drittstaaten
Negativ bewertet der BDE auch das Exportverbot für Kunststoffabfälle zur Verwertung außerhalb der EU oder EFTA-Staaten, das 2,5 Jahre andauern soll. Durch Ausfuhrverbote für Kunststoffabfälle zur Verwertung wird ein Überangebot an Verwertungsmaterial und dadurch ein erheblicher Preisdruck auf die Abfallverwertung und insbesondere auch auf das Kunststoffrecycling innerhalb der EU erzeugt. Gleichzeitig ist fraglich, ob überhaupt genügend Behandlungskapazitäten innerhalb der EU bestehen. Das könnte dazu führen, dass die betreffenden Abfälle einer niederwertigeren Behandlungsoption zugeführt werden, anstelle zum Recycling in Nicht-OECD-Drittstaaten exportiert zu werden.

 

Zeitplan
Die formelle Annahme im Rat steht noch aus, wird aber vermutlich sehr bald folgen. Nach der anschließenden Unterzeichnung des neues Verordnungstexts durch die Mitgesetzgeber, Europäisches Parlament und Rat, wird der finale Rechtsakt im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt dann am 20. Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Dies wird vermutlich noch in der ersten Hälfte 2024 geschehen.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2024

Vera Greb

Europareferentin für Abfall- und Umweltrecht